Die Straßen

"Ja genau, Pride.", erwiederte ich lächelnd und blickte zur Wiese, wo sein Blick vorhin noch hingereicht hatte. "Und dein Name ist?", fragte ich dann und wand mich wieder ihm zu. Es war fast wieder Sommer und bald war wieder Erntezeit. Ich lächelte etwas gequält bei diesem Gedanken, ich wollte nicht Mentor für zwei unschuldige Seelen spielen, es war jedes Mal wieder eine große Herausforderung, da sie meist nicht Lebend zurück kamen und es schwer war diese Verluste einfach zu ertragen.

Ich lächelte bitter, fing mich jedoch sofort wieder und dachte kurz nach. "Ja, den Hof kenne ich, eindeutig.", sagte ich dann und grinste. Ich war schon öfter dort vorbei gekommen, hatte mich jedoch nie sonderlich drum geschert, immerhin war es meistens auf dem Weg zur Arbeit gewesen.
"Du machst dir scheinbar keine Sorgen, dass du dieses Jahr dran sein könntest, was?", fragte ich dann, versuchte dabei sogar zu lächeln. Es war erstaunlich, denn mein ganzes Leben lang hatten meine Mutter und mein Vater sich gesorgt und mich mit ihrer Sorge angesteckt, bis ich beinahe genau so verrückt wurde wie sie und ich hatte mich gefürchtet, jeden Sommer und als mein Name vorgelesen wurde, war es, als wenn die Welt unter meinen Füßen weg geklappt wäre.

Wechsel von : Hof der Turners

Langsam ging ich die geplasterte Straße entlang, bedacht daran kleinen spitzen Steinchen und Schlaglöchern auszuweichen da ich mir nicht die Mühe gemacht hatte Schuhe anzuziehen.
Wozu auch? Heute war ein wunderbar sonniger Tag, die Vögel zwitscherten und das Klima war angenehm warm. Da konnten die Schuhe schonmal Zuhause stehen bleiben.

Etwas lächelte ich als ich an lauter Weiden und Viehherden vorbei lief. Seit ich klein war kannte ich nur dieses Panorma was sich mir von Tag zu Tag neu bot.
Grüne Wiesen, Tiere, ein mehr oder weniger angenehmer Geruch.
Seit der Lehrer in der Schule mal angefangen hatte von den anderen Distrikten zu reden, hatte ich mir Gedanken gemacht wie es wohl den Menschen in anderen Distrikten erging.
Zum Beispiel die in Distrikt 12...Kohleabbau.
Die hatten es bestimmt nicht so gut wie hier.

Mein Kopf flog herum als ich die vertrauten Geräusche von Pferden und Stimmen zweier Personen hörte. Etwa 5 Meter davon blieb ich stehen und musterte sie.
ich konnte sie nicht genau erkennen. Kannte ich sie?
Verlegen tapste ich von einem Bein auf das andere und nahm mir eine Blumenblüte um nicht überflüssig dazustehen.
Ich steckte sie mir ins Haar und sah wieder zu den 2 Jugendlichen. Kurz spielte ich mit dem Gedanken einfach wieder umzukehren. Aber was sollte ich daheim? Dort war es langweilig, jedenfalls bis heute Abend.
Deshalb beschloss ich einfach stehen zu bleiben und abzuwarten...

Noch eine Weile blieb ich stehen und lauschte dem Gespräch der beiden.
Schon schnell stand fest das sie über die Hungerspiele redeten, und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen:
Ich bin vor kurzem 12 geworden...das heißt ich könnte dieses Jahr als weiblicher Tribut für den Distrikt 10 ausgelost werden.

Seit dem mein Bruder in die Arena musste, starb und sich daraufhin meine Mutter das Leben nahm hatten wir kaum ein Wort darüber verloren.
Eine Weile lang lebten wir in Trauer...und dann...ging der Alltag wieder los. Das war vor 5 Jahren gewesen, damals hatte ich das wohl alles noch nicht gut genug verstanden.
Aber ich hatte jedesmal mitbekommen wie mein Vater und meine ältere Schwester zitterten, wenn die Zeit der Ernte gekommen war.
jetzt ist sie 19. Ihr kann also nichts mehr passieren...und nun, da mein Vater nicht mehr um sie Angst haben musste, musste er um mich bangen?
Ich hatte die Gewalt und Brutalität in den Spielen gesehen, immer dann wenn das Kapitol uns zwang es anzusehen. Für mich war es immer das reihnste Albtraum gewesen...ich berabscheute Gewalt und Brutalität. Sogar Sadisten kamen nicht selten vor...ich wollte keinesfalls in die Arena! Alleins chon mein armer Vater würde das nicht verkraften!

Unwillkürchlich bewegten sich meine Beine zu den beiden Reitern und blieben dirket davor stehen. Nun war ich mir sicher das ich sie nicht näher kannte. Sie waren älter als ich, größer und sahen viel erwachsener aus.
Vielelicht kannten sich unsere Eltern?!

Ängstlich sah ich zu dem Jungen auf, dann legte ich eine Hand auf den Hals des Pferdes und streichelte es.
Es war ein schönes Pferd...zugegeben. "Wie heißt es", fragte ich schüchtern. Ich hatte nicht bedacht einfach in ein Gespräch reingeplatzt zu sein!

Während ich den Hals des pferdes tätschelte sprach der junge Reiter. Er war wohl nicht sauer das ich ihn in seinem Gespräch gestört hatte...
Kurz runzelte ich die Stirn. Wechseljahre? Was war denn das? Doch dann erinnerte ich mich an ein Gespräch von vor ein paar Jahren...meine Mutter und meine Oma hatten sich gestritten und schließlich hatte meine Oma meiner Mutter vorgeworfen bald in die Wechseljahre zu kommen. Das war wohl so eine Phase im Leben einer Frau in der die Stimmungsschwankungen wohl extrem waren...
Erfreut und erleichtert lächelte ich, diese peinliche Frage konnte ich mir dann wohl ersparen.
"Ach je, DIE Phase", meinte ich und lachte leise auf. "Verstehe"...ich nickte.
"Wir haben auch Pferde, 3 Stück"! Stolz nickte ich.

Ich lies die Hand wieder sinken und trat einen Schritt zurück um zum Reiter hoch sehen zu können. Wer war das nur? Ich konnte mich nicht entsinnen ihn zu kennen.
"Wie heißt du"?, fragte ich und legte den Kopf schief. Dann wanderte mein Blick kurz zu dem Mädchen bevor er wieder an dem Jungen klebte.

Ich legte meinen Kopf noch schiefer als der Junge, dessen Name ich noch nicht kannte anfing zu grinsen. Wieso grinste er so? "Was findest du so witzig"?
Ich sah an mir herunter, nicht das ich nacher noch irgendwo einen Fleck oder so hatte.
Bis auf meine Schienbeine und Füße die etwas dreckig waren gab es nichts besonders.

Gleichgültig zuckte ich die Schultern. "Wir haben seit ich geboren bin Pferde, ich kenne es nicht anders"!
Trotzdem lächelte ich ihn an. "Aber ich bin schon stolz auf die 3, sehr sogar. Du doch bestimmt auf deins auch oder"?
Ich warf einen kurzen Blick auf das fremde Pferd. Dann sah ich wieder hoch.

"Beck? Das ist doch kein richtiger Name...tust du mich reinlegen"? Ich machte große Augen und wich einen Schritt zurück.
"Ich heiße Tia-Sky..du kannst mich aber Tia nennen"!
Das war ein richtiger Name-...aber Beck?! Das hörte sich an wie ein Nachname...

Als Beck sagte das alles in ordnung sei, sah ich erleichtert wieder hoch. Das wäre ja vielleicht peinlich gewesen...hätte ich tatsächlich einen Fleck oder ähnliches gehabt.
"Wieso lachst du dann"?, wollte ich wissen und setze einen fragenden Gesichtsausdruck auf.

"Auf was bist du denn noch stolz"? Ich lief ein paar Schritte nach links und setzte mich dort ins Gras.

"Kieran"? Gras ausrupfend sah ich an ihm hoch bevor ich schallend anfing zu lachen und mich rücklings ins Gras fallen lies.
"Okay...ich verstehe wieso du dich Beck nennst", brachte ich unter lachen hervor und hoffte doch das er es nicht ernsthaft böse aufnehmen würde. Aber der Name war einfach zum schießen komisch.
Solangsam beruhigte ich mich wieder, und sah die Wolken an. "Doch...Beck, damit kann ich leben".

Als ich so im Gras lag vernahm ich plötzlich das klingeln der Glocken auf dem Marktplatz und schreckte hoch. Die Auslosung der Tribute began in wenigen Augenblicken. Mein Vater hatte mich noch heute Morgen beim Frühstück darauf aufmerksam gemacht, beim klingeln der Glocken unbedingt zum Marktplatz zu kommen, es gäbe sonst fürchterlichen Ärger wenn ich nicht da wäre, und darauf war ich ja schließlich nicht aus.
Erschrocken fuhr ich hoch und sah Beck mit einem Gesichtsausdruck an, der wohl erschrocken und zugleich weinerlich-wütend aussah.
"Die Ernte", murmelte ich etwas abwesend und sprang auf die Beine. "Ich muss auf den Marktplatz"!

gerade wollte ich losrennen, als mir einfiel das er noch nicht wie 18 aussah. Also musste er die Moderatoren bestimmt mit seiner Anwesenheit geglücken.
"Bis dann..vielelicht", meinte ich, winkte ihm zu und rannte Richtung Marktplatz, gespannt was kommen würde.

tbc: Marktplatz D10