Wohnung der Familie Veldi

Es ist eine kleine Wohnung in einem der dunkelsten und gefährlichen Vierteln des Kapitols, aber die Miete ist billig. Sie liegt im fünfundzwanzigsten Stock eines der vielen Hochäusern hier. Die Wohnung besteht aus drei Zimmern plus Küche und Bad. Da weder Mutter noch Tochter allzu viel Zeit daheim verbringen und deshalb sich niemand die Mühe macht aufzuräumen, sieht es extrem unordentlich aus. Wenn man durch die Tür herein kommt, gibt es einen schmalen Flur, mit einem abgewetzten roten Teppich. Links geht die Tür weg zu dem Wohn- und Essbereich, wie auch der Küche, da diese nur mit einer halbhohen Mauer von dem Rest des Zimmers getrennt ist. In diesem Zimmer steht ein alter und vollgeräumter Kunststofftisch, ein gelbes Sofa mit einigen Brandflecken von Zigaretten, sowie ein uralter Flachbildfernseher, der an der Wand hängt und aufgrund von unbezahlten Rechnungen nur das Pflichtfernsehn empfängt.
Rechts neben der Haustür befindet sich das Schlafzimmer von der Amber. Für gewöhnlich macht Nituna einen großen Bogen darum, da es darin nach Schweiß, Quallm, Alkohol und noch einigen anderen undefinierten Dingen stinkt. Direkt daneben befindet sich das Badezimmer und am Ende des Flurs ist Nitunas Zimmer. Schon die Tür unterscheidet sich von dem Rest, denn sie ist besteht aus schwarzem Kunststoff. Auch ihr Zimmer ist fast ausschließlich schwarz gestrichen, wobei einem der erste Anblick meist fast erschlägt. Das Fenster ist mit schweren, dunkelroten Vorhängen verhängt und es richt nach verbrannten Räucherstäbchen. Das Bett ist ein altes Schlafsofa und steht in der Ecke neben der Tür. An den Wänden sind Regale angebracht, die mit allem Möglichen Krimskrams vollgestellt sind, die auch gut in einen Horrorfilm passen. Totenschädeln mit mystisch wirkenden Symbolen blicken einem zwischen Büchern hindurch an, In einem verschlossenem Marmeladenglas schwimmt in Formaldehyd eingelegt das Herz ihres verstorbenes Hundes. Eine schwarze Miniatur-Guillotine staht auf dem Schreibtisch vor dem Fenster und eine Halloween-Schweine-Maske blickte jeden Hereinkommenden aus leeren Augenhöhlen vom Kleiderschrank herunter an.

--> von Villa der Kraals

Langsam gehe ich durch die nächtlichen Straßen. Jair hat Recht gehabt, hier sieht jede Straße aus, wie die andere, aber irgendwie finde ich doch meinen Weg ohne auch nur eine der Personen anzusprechen, die wohl auf dem Weg zu einer Party an mir vorbei kommen. Der Abend war schön, auch wenn Jair äußerlich nicht sonderlich zu mir passt, verstehe ich mich ungewöhnlich gut mit ihm.
Ich gehe zufuß um mir das Geld für die öffentlichen Verkehrsmittel - die zu dieser Uhrzeit sowieso überfüllt sind - zu sparen, außerdem liebe ich die kalte Luft, die mir um das Gesicht weht. Am liebsten würde ich einfach hier herausen bleiben und die ganze Nacht durch gehen, aber dann werde ich den Tag morgen - mit einem Blick auf die Uhr korrigiere ich mich leicht schockiert - heute nicht packen.

"Amber", rufe ich, als ich die Wohnung betrete. Ein Schwall von abgestandener Luft umfängt mich. Es riecht nach schmutzigem Geschier und Wäsche. Automatisch halte ich mir die HAnd vor Mund und Nase und eile schnell zu dem Fenster im Wohnbereich um es zu öffnen.
Erleichtert atme ich die frische Nachtluft ein, dann wende ich mich ab und werfe einen Blick in das Schlafzimmer meiner Mutter. Hier stinkt es noch schlimmer, nach kaltem Zigarettenrauch, Alkohol, Schweiß und einigen anderen Dingen, die ich lieber nicht wissen will.
"Amber", rufe ich noch einmal, aber ihr Bett ist noch immer so aufgeschlagen, wie vor drei oder vier Tagen, als sie es das letzte Mal benutzt und verlassen hat.
Ich stöhne und versuche nicht allzu froh über den, in meinem Inneren auftauchenden, Gedanken zu sein, dass sie womöglich irgendwo tot im Straßengraben liegt und ich sie für immer los bin. Schließlich zahlt sie zu einem großen Teil die Miete für unsere Wohnung und wenn sie wirklich tot wäre, würde ich wohl schnell von Journalisten umzingelt sein, da sie ja berühmt ist.
Ich schüttle den Kopf, schließe ihre Tür sorgfältig und mache mich für's Bett fertig.

Als ich am Morgen wach werde, ist Amber noch immer nicht zu hause. In einer Woche hat sie wieder einen Auftritt und irgendwie hoffe ich, dass sie sich zu mindestens bis dahin wieder blicken lassen würde.
Ich richte mir ein Müsli her und mache mich anschließend für die Schule fertig.

Wie immer verbringe ich die Schulstunden im Halbschlaf, schreibe hin und wieder mit. Und ignoriere sowohl meine Mitschüler, wie auch die Fragen der Lehrer. Als die Schulglocke endlich läutet, mache ich mcih auf den Weg zum Café Koma und hoffe, dass Jair heute bald auftauchen würde.

--> zu Café Koma

--> von der Karaokebar

Als ich daheim ankomme, bin ich bereits auf Autopilot. Tür auf und wieder zu sperren, dann schnell Jacke, Schuhe und Hose ausziehen und in der ganzen Wohnung auf dem Weg zu meinem Zimmer verteilen, bevor ich einfach ins Bett falle und einschlafe.
Dank meiner Vorhänge werde ich nicht durch das Sonnenlicht geweckt, sondern kann ausschlafen. Als ich schließllich aufstehe ist es schon fast halb vier. Schnell mache ich mich fertig und gehe dann frisch geduscht mit einem Handtuch um die nassen Haare gewickelt ins Wohnzimmer. Amber sitzt mit eingefallenen Gesicht und tiefen Augenringen vor dem Fernseher und sieht sich irgendeine Sendung an, in der verwöhnte Kapitol Teenager für einige Zeit in einem Distrikt untergebracht sind und dort arbeiten und so müssen, anstatt die ganze Zeit nur Party zu machen. Ich hasse diese Programme, die Leute die da mitmachen sind einfach nur furchtbar aufgeblasen und haben so was von keinen Respekt vor den Leuten, bei denen sie unterkommen und leben dürfen, während der Zeit.
"Morgen", meint Mum, als sie mich hört, dreht sich aber nicht zu mir um. Sie trägt einen alten Bademantel und in den Händen hält sie eine Tasse mit einer braunen Substanz - ich weiger mich, diese Lösepulver als Kaffee zu bezeichnen.
"Mahlzeit", entgegne ich einsilbrig und nehme mir eine Scheibe Brot aus der Lade, bevor ich mich wieder zu ihr umdrehe. "Du hast morgen ein Kozert", erinnere ich sie.
Amber nickt: "Ich weiß, keine Sorge so was vergesse ich nie."
Da hat sie Recht, das einzige worauf bei ihr Verlass ist, sind ihre Konzert Thermine und die danach folgenden Tage an denen sie halbwegs normal ist.
Dann gehe ich zurück in mein Zimmer und entdecke auf meinem Handy eine Nachricht von Jair. In der er fragt, wo wir uns die Ernte ansehen werden.
"Wie wär's bei dir? Ich hab morgen noch frei und da will ich nicht unbedingt an dem kleinen Fernseher im Café schauen. Oder willst du zu mir kommen?"
Kaum habe ich die Nachricht abgeschickt, bereue ich die letzte Frage schon wieder. Auch wenn Amber da weg sein wird, die Wohnung bekomme ich nie halbwegs ansehnlich bis morgen.

SMS von Jair: "Meine Mum ist nicht da, also haben wir den großen Bildschrim für uns. Kann dich gerne abholen."

Als Jairs Antwort kommt, bin ich erleichtert, dass er nicht auf meine Einladung eingegangen ist. Schnell tippe ich eine Antwort in mein Handy: "Klingt super, wenn's dich nicht stört."
Dann werfe ich mich zurück ins Bett, nehme mir ein gutes Buch aus dem Regal und nehme mir vor,mir einen gemütlichen Tag im Bett zu machen.

Sms von Jair: "Wenn du mir verrätst wo hol ich dich gerne gegen 11 ab."

Mein Handy vibriert und ich blcike von dem Buch auf, zurück geholt aus einer Welt während des Plastikzeitalters in die Gegenwart. Ich lächle, als ich Jairs Antwort lese. Das bin typisch ich, ich gebe generell meine Adresse nicht an Leute weiter, aber bei ihm mache ich eine Ausnahme. Ich schick ihm eine virtuelle Wegbeschreibung und noch einen kurzen Gruß: "Danke, dann bis morgen."

-> Villa der Kraals


Angekommen drückte ich den Klingelknopf neben dem kleinen, schiefhängenden Messingschild, auf dem Ninas Name und der ihrer Mutter stand, und wartete darauf, dass Nina sich meldete.

"Nicht aufmachen", schreie ich durch die Wohnung, als am nächsten Tag jemand so gegen Mittag an unserer Tür klingelt. Mit der Bürste noch in der Hand, aber sonst wenigstens fertig, laufe ich aus dem Bad, hetze an meiner Mutter vorbei, die im nüchternen Zustand sich dazu bequemen wollte, auf zu machen, und reiße die Haustür vor ihr auf.
"Hi", meine ich. Wie ich gedacht habe, ist es Jair, der draußen steht.
"Wer ist da?", ruft Amber aus dem Wohnzimmer, aber ich ignoriere sie.

Von drinnen höre ich Geräusche und jemanden etwas rufen, bevor ich überlegen kann was es heißt wird auch schon die türe aufgerissen. Und da steht Nina, mit der Bürste in der Hand. "Nein nicht schießen, ich bins nur",sage ich schwerzend, da sie ihre Bürst lustigerweiße in meien Richtung streckt. Im Hintergrund höre ich nur ihre Mutter fragen wer ich bin. "Na fertig Kleines?", frage ich sich einbisschen lauter als gewollt und zwinkere ihr kurz zu.

Und schon wieder lachen wir. Scherzhaft deute ich an, ihn mit der Bürste erschießen zu wollen, bevor ich sie auf ein Kästchen hinter der Tür lege, mir schnell eine Jacke und den Schlüssel schnappe und dann die Tür hinter mir zu ziehe.
"Ja", meine ich und dann frage ich ironisch: "Und was hältst du von meiner schönen Nachbarschaft."

NAchdem sie die Bürste weggelegt hat und zu mir heraus geschlüpft ist fragt sie mich natürlich rein rhetorisch was ich von ihrer Nachbarschaft halte, trotzdem gebe ich ihr eine genauso ironische Antwort während wir die Straße zurück laufen. "Auf dem Weg hatte ich zwischen durch doch nette Aussicht bzw eher Einblick." Als wir wieder an gewissen Damen vorbei gingen blickten sie Nina mit fast schon hasserfüllten Blicken an, womöglich vermuteten sie, dass ich sie ihnen vorgezogen hatte. Was auch stimmte nur auf anderer Ebene als sie dachten und musste mir das Lachen verkneifen. "Na gestern auch Muskelkater gehabt?", frage ich sie nachdem wir wieder in einem der sichereren Viertel des Kapitols angelangt waren.

"Ach so, desshalb hast du so lange gebraucht", erwidere ich, als wir gerade an den Lustdamen vorbei gehen. Eigentlich ist deren Gewerbe doch eher etwas, was man nachts ausführt. Die Frauen beäugen mich missmutig, vor ein paar Monaten hat ernsthaft einer ihrer Zuhälter mich gefragt, ob ich nicht eines seiner Mädels werden wollte - urg.
Seine zweite Frage reist mich aus den Gedanken, mittlerweile sind wir wieder auf belebteren und freundlicheren Straßen. "Ja etwas", gestehe ich.

--> Villa der Kraals

Natürlich gab sie den Ball zurück. "Natürlich was denkst du denn? Ich bin in einen gulli gefallen?", grinste ich. Nach einer Viertelstunde Fußweg erreichen wir das regierungsvirtel, in dem alles mit Fähnchen geschmückt ist. "Alles so übertrieben", rauhne ich ihr zu und verdrehe dazu leicht die Augen. Dann waren wir auch schon an unserem Haus.

->Villa der Kraals

--> von Café Koma

In meinem Viertel befanden sich noch mehr Menschen auf den Straßen, die sich zum Teil schlicht weigerten das Pflichtprogramm zu sehen oder es einfach vergessen hatten.
Vor meiner Wohnungstür hielt ich kurz inne um mich gegen das, was auch immer dadrinnen auf uns wartete zu wappnen, dann zog ich den Schlüssel heraus und sperrte auf.
"Amber", rief ich in die Wohnung. Es roch nach kalter Pizza und der Fernseher lief, wie nicht anders zu erwarten. Aber meine Mutter konnte ich nirgends entdecken. "Amber?", rief ich noch einmal und kurz darauf ertönte ein ziemlich verschlafenes Gemurmel aus dem Schlafzimmer von ihr: "Noch 5 Minuten."
Ich verdrehte die Augen und sah Jair an. Sollte ich sie wecken oder schauten wir uns lieber wie brave Bürger die Punktevergabe vorher fertig an?

-> Cafe Koma

Die Menschen hier hatten mehr Mut oder waren eigensinniger als im inneren der Stadt. Sie taten so als wüssten sie nicht, dass gerade Pflichprogramm lief. Aber vielleicht hatten das auch einige von ihnen, so wie sie aussahen.
Kurz vor der Wohnungstüre stoppte Nina und atmete einmal tief durch bevor sie aufschloss und nach ihrer Mutter rief. Ich sag mich im Flur um, aber bis auf Schuhe, Jacken und sonstigen normalen Gegenständen gab es nichts auffälliges. "Soll ich, weil wir ja so liebe gute Bürger sind mich vor den Fernseh setzen, also wenn du erst kurz alleine mit deiner Mum reden willst?"

"Ja denk schon", antwortete ich. Ich konnte ja nicht sagen, wie Amber gerade drauf war und da ging ich lieber allein zu ihr hinein. "Der Fernseher ist dort im Wohnzimmer und falls du willst, kannst du dich am Kühlschrank bedienen", meinte ich noch und deutete auf die Tür links. Kurz schielte ich zu meiner Zimmertür aber ich vertraute mal darauf, dass Jair nicht ohne Erlaubnis hinein ging. Vermutlich würde ihn schon der Anblick erschrecken und ich glaubte, dass ich am Vortag noch daran gedacht hatte, eine Falle aufzustellen, sollte jemand Unbefugtes in mein Reich eindringen wollen.
"Bis nachher", lächelte ich noch und verschwand schnell im Schlafzimmer von meiner Mutter. Es roch ausnahmsweise nicht so streng nach Zigaretten und nach ein paar Minuten erkannte ich den Grund. Sie hatte allen ernstes einmal von selbst das Fenster geöffnet.
"Amber", meinte ich leise und rüttelte sie an der Schulter. Die Schlafende gab einige undefinierbare Laute von sich und drehte sich im Halbschlaf weg. "Wach auf." Ich ließ nicht locker und schüttelte so noch etwas.
"Was ist?", murrte sie und schlug die Augen auf. Ausnahmsweise sah sie nicht völlig zugedröhnt aus, sondern halbwegs normal.
"Kannst du aufstehen, ich hätte nachher ein paar Fragen an dich", meinte ich in möglichst freundlichen Tonfall. Mit Schärfe würde ich sie nie aus dem Bett kriegen. Dann ging ich zum Fenster und öffnete die Fensterläden, so dass Licht durchs Fenster flutete.
Amber gab noch irgendwelche schläfrigen Geräusche von sich und zog sich das Kissen über den Kopf. "Kann das nicht bis am Nachmittag warten?"
"Wir haben schon fast Abend, komm steh auf."
Nach noch etlichen Versuchen stand Amber schließlich auf und zog sich an. Mit einer Bürste fuhr sie sich mehr schnell als gründlich durch die Haare, bevor wir zusammen aus ihrem zimmer gingen. "Ich hab Hunger", maulte meine Mutter wie ein kleines Kind.

"alles klar", ich folgte ihrer Beschreibung ins Wohnzimmer, das ich wohl auch so gefunden hätte, da der Fernseh sich automatisch eingeschaltet hatte.
Dort machte ich es mir auf dem Sofa bequem und starrte in den Fernseh, auch wenn ich nicht wirklich viel mitbekam. Zum Glück waren wir schon bei Distrikt 11.
Leise hörte ich Nina, die versuchte ihre Mutter zum Aufstehen zu überreden.
Nach einer geschlagenen Viertelstunde hörte ich die Türe aufgehen und Schritte im Gang bevor sie im Wohnzimmer ankamen.
Für einen kurzen Moment sah es aus, als hätten Nina und ihre Mutter die Rollen getauscht, die wirkte viel erwachsener und reifer als ihre Mum.
"Hallo", sagte ich freundlich lächelnd und hob kurz grüßend die Hand.

Amber wich überrascht zurück, als Jair sie begrüßte, dann setzte sie jedoch ein Lächeln auf. "Hi, du bist Chair oder?", meinte sie freundlich, wobei sie seinen Namen falsch aussprach. Wenigstens wusste sie ihn halbwegs noch.
"Amber setzt dich doch, ich hol dir schnell was zu essen", sagte ich schnell. Wenn wir irgendwas aus ihr heraus bekommen wollten, sollte ich sie bei Laune halten. Gehorsam nickte sie und setzte sich neben Jair auf das Sofa.
"Oh die Punktevergabe, hab ich die etwa verschlafen?", murmelte sie leise zu sich selbst, dann wandte sie sich an den Jungen: "Hab ich irgendwas wichtiges verpasst? Irgendwelche unvorhergesehenen Punkte?"
Ich lächelte und verschwand kurz in der Küche. Dort schob ich ein Stück der kalten Pizza in den Mikrowellenherd und schaltete ihn ein. Eine Minute später kam ich mit dem letscherten, aber dampfenden Stück zurück ins Wohnzimmer und rechte Amber das Teller, während ich mich mangels alternativer Sitzmöglichkeiten auf den Couchtisch setzte.

Sie war wohl überrascht mich zu sehen, aber so wie ich Nina einschätzte brachte sie selten Besuch mit. Dass sie mich fast als Stuhl bezeichnete konnte ich ihr auch verzeihen und lächelte und bestätigte es mit einem "Ja".
Nachdem Nina in die Küche verschwunden war und ihre Mutter neben mir saß fragte sie mich, ob sie etwas verpasst hätte. Kurz überlegte ich, ob mir etwas aufgefallen war, "Nicht sehr viel, der Karriero, der nach 12 Punkten aussah hat nur 10 bekommen, und die zwei jungen Tribute haben erwartungsgemäß nicht viel Punkte bekommen."
Was sollte oder könnte ich noch Ninas Mutter erzählen? Gerade als mir etwas eingefallen war tauchte Nina auch wieder im Wohnzimmer auf, stellte ihrer mum den Teller hin und setzte sich auf den Tisch. Ihre Mutter fing begierig an die warmgemachte Pizza zu verschlingen.

Amber begann mit einem Heißhunger die Pizza zu verschlingen, als wäre sie knapp dem hungertod entronnen. Vielleicht war sie das auch, keine Ahnung wie oft sie überhaupt aß, aber da ich nicht ihre Mutter war, war mir das ziemlich egal.
Ich warf Jair einen fragenden Blick zu, ob meine Mum ihn eh nicht belästigt hatte, und wartete darauf, dass sie fertig gegessen hatte.
Gerade wurde das Bild vom letzten Tribut angezeigt, dann kamen noch ein paar Worte von irgendeinem Moderator und der Bildschirm wurde wieder dunkel.
"Mum", begann ich und bei der ungewohnten Benutzung dieses Koseworts blickte sie überrascht auf. Vorsichtig, sonst würde sie sofort wieder zurück rudern "Äh, kanntest du den Dealer, der heute gehenkt wurde?"
Amber schien einen Moment zu überlegen, dann nickte sie. "Ja, Pio irgendwie hieß er doch. Guter Kerl, hatte ziemlich gute Preise auch wenn er das Koks teilweise streckte. Wieso?" Klar dass sie gleich mit sowas kam.
"Es ist nur, irgendwie kam dadurch die Frage bei mir auf, wer wirklich mein Vater ist", versuchte ich es ganz vorsichtig.
"Also der auf jeden Fall nicht", schnaubte Amber und war schon wieder auf 180. "Du hast keinen Vater, das hab ich dir schon oft gesagt", rief sie wie eine Furie. Was zum Teufel war so schlimm daran, wenn sie es mir verriet?

Während Ninas Mutter weiter aß, wanderte der Blick ihrer Tochter auf mich blieb fragend an mir hängen. Sie wollte wohl wissen, ob ihre Mum mich belästigt hatte, um sie zu beruhigen lächelte ich ihr ermutigend zu. Was würde ich wohl an ihrer Stellen tun? Eine Mutter, die sich nicht sonderlich um einen kümmerte, ohne Vater.. gut ich hatte mit meinem Vater auch schon einige Streitgespräche geführt aber ganz ohne ihn? Das konnte ich mir absolut nicht vorstellen.
Vorsichtig fing Nina an zu fragen, zu erst ob ihre Mutter den Dealer von heute mittag kannte. Als wäre es das natürlichste auf der Welt abjahte ihre Mutter die Frage, aber nicht ohne zu fragen warum. Ohne umschweifen kam Nina zum Punkt, wohl keine so gute Idee ihre mutter fing an zu schreien, dass sie keinen Vater hätte. Am liebsten hätte ich ihrer Mutter Kontra gegeben, aber ich kannte sie nicht und wenn sie schon jetzt durchdrehte, wie würde sie reagieren, wenn sich ein Fremder einmischte?

"Amber beruhig dich", versuchte ich sie zu beschwichtigen. Mir lagen die übelsten Drohungen auf der Zunge. Dass ich ja schon fast volljährig war und ich einfach ausziehen würde, wenn sie es mir nicht sagte. Oder dass sie mir mit 18 den Kontakt zu meinem leiblichen Vater nicht mehr verbieten konnten. Aber die Sachen behielt ich lieber für mich, sie konnte teilweise so stur sein und da würde ich mit diesen Agumenten nur gegen eine Wand fahren.
Ohne ein weiteres Wort stand Amber auf und verschwand in der Küche um sich noch ein Stück Pizza zu wärmen. Kurz spielte ich mit dem Gedanken ihr zu folgen, aber um wieder in ihr Schlafzimmer zu kommen, müsste sie hier sowieso vorbei kommen und da würde ich sie dann abfangen.
"Sie ist schwierig", murmelte ich leise zu Jair, während ich aus der Küche sie leise singen hörte. Irgendein Kinderlied. "Irgendwelche Ideen?"