Die Karaokebar Lucky Voice

Erneut switchte ich durch die ganzen Lieder, ohne mich wirklich entscheiden zu können. Schließlich ließ ich einfach den Zufallsgenerator entscheiden.
"Hm, Jeanny von Falco, passt das?", frage ich ihn, als der Generator das Lied ausspuckt. Es ist ein seltsamer Text, aus der Sicht eines Entführers gesungen. Eigentlich passte es ja nicht gerade zu unserem letzten Lied und ich wusste nicht einmal, ob Jair die Sprache konnte. Wir hatten im Unterricht auch Deutsch, aber vielleicht er nicht.

Es war wohl nicht nach ihrem Geschmack dabei, also ließ sie den Zufallsgenerator laufen. Der fiel auf einen Song, den ich vom Titel nicht wirklich kannte aber ich bejahte, da ich einfach einmal testen wollte wie ich mit einem völlig unbekantem Lied zurecht kam. Ich hob das Mikro wieder in Singposition und wartete auf den Start des Songs. Als es anfing erschrak ich, da das Lied auf deutsch war. Ich konnte zwar ein paar Brocken aber ein französisches oder gar japanisches Lied wäre mir wohl leichter gefallen. Einfach das beste drauß machen war meine deviese und es war sehr amüsant, da ich sogar zwischen zwei Lachanfällen Töne traf.

Oh, ich habe Recht mit meiner Befürchtung gehabt. Er hat wirklich Probleme mit der Sprache, betont die Worte falsch, trifft jedoch trotzdem meistens die Töne. Immer wieder beginnen wir während dem Lied zu lachen und so bekomme auch ich nicht besonders viele Punkte.
Als das Lied zu Ende ist, wirkt Jair erleichtert. "Sorry, ich wusste nicht, dass du keine deutschen Lieder kennst", meine ich mit einem entschuldigenden Lächeln. Kurz bin ich versucht, mir anzuhören, was wir da für einen Stuss zusammen gesungen haben, aber ich verzichte.
Ich lege ihm freundschaftlich den Arm um die Schulter - was nicht ganz leicht ist, da er größer ist als ich - um ihm zu zeigen, dass es ihm nicht unangenehm sein muss. "Vielleicht suchst doch du dir das nächste Lied aus, vielleicht einmal ein Duett, anstatt ein Wettsingen?"

Als das Lied zuende ist kann mich nichts mehr halten ich haben einen richtigen Lachanfall. "Ich glaube Deutsch ist noch nicht ganz meine Stärke, ich kann nur fragen wo die Toiletten sind und ein Bier bestellen.", erzähle ich lachend. "Mir liegen die südländischen Sprachen eher und einen tick Japanisch kann ich auch." Nina versucht mir den Arm kurz um die Schultern zu legen aber es gelingt ihr mehr schlecht als recht, da ich doch einiges größer bin und das bringt mich schon wieder zu lachen. Tief atme ich ein und aus. "So jetzt gehts wieder. Also gut denn sehen wir mal.", ich nehme ihr die Bedienung aus der Hand und zappe durch die Songs. "Los lass uns Summer Nights singen, damit hat uns meine Mum einen Sommer lang mal die ganze Zeit vollgedudelt."

"Gute Wahl", meine ich und beginne plötzlich wieder zu lachen. Der Abend ist einfach genial.
"Irgendwie finde ich es sowieso sinnlos, dass wir diese ganzen Sprachen noch lernen müssen. Ich meine, von den östlichen Völkern existieren doch kaum mehr welche und die wenigen sind eher wandelnde Normaden." Zu mindestens ist das das was wir im Geographiunterricht gelernt haben. "Wozu müssen wir diese toten Sprachen lernen, die es nur noch in Liedern und Filmen gibt?"

Und wir lachen schon wieder, langsam glaube ich, dass man uns etwas ins Essen gemischt hat. "Hm.. das meiste lerne ich freiwillig. Ich hatte mal ne Zeitlang zu viel Zeit und da ich nicht viel nachdenken wollte habe ich eben angefangen mir Sprachen bezubringen und exzesiv klavier und geige zu spielen. Ach ja und Gegenstände in die Luft zu sprengen. Ich war eben schon immer ein kleiner bzw großer Nerd.", antworte ich ihr fast schon nüchtern. Wir haben das Lied noch nicht gestartet und ich warte auf ein Signal um dies zu tun.

Ich beginne schon wieder zu lachen, bei seiner Erklärung. "Mit Sprachen habe ich es nicht so, ich kann mir zwar den Klang der Wörter merken, aber Gramatik geht überhaupt nicht."
"Also wollen wir beginnen?", frage ich und hebe das Mikro an den Mund.

"Klar",dann drücke ich schon auf Start. Ich kenne jede Note dieses Stücks, da ich es schon oft gespielt hatte und den Text auch. Ich schlug mich sogar besser als beim gelben zitronenbaum, was nicht nur an meiner Stimme lag, sondern weil ich versuchte Nina durch Piekser in die Seite und verdecken der Sicht aus dem Konzept zu bringen, was mir zum Teil auch gelang. So viel Spaß wie heute hatte ich schon lange nicht mehr, auch wenn ich nicht wissen wollte was die Leute von uns dachten.

Langsam frag ich mich, ob wir irgendwie High sind. Vielleicht hat die Kaffeemaschine uns zur Strafe was ins Getränk gemischt, zuzutrauen ist es ihr ja. Über den GEdanken muss ich noch mehr lachen und verpasse fast meinen Einsatz wieder.
Immer wenn gerade ich allein den weiblichen Teil singen muss, versucht mir Jair aus dem Konsept zu bringen und hin und wieder lasse ich absichtlich ein paar Noten fallen um ihm eine bessere Chance zu geben. Irgendwie kann ich mir unsere drei Tussen von vorhin gut in diesem Musikwideo vorstellen, wie sie mit diesen Plastikzeitalterfrisuren herum laufen. Ich beginne zu lachen und verpasse fast den gesamten Schluss, woraufhin Jair ebenfalls zum Lachen anfängt und kaum mehr Punkte schafft als ich.
"Okay, ich glaub das wird im Moment nix mehr", schlage ich nach dem Lied zwischen zwei Lachanfällen vor.

Wir lachen und lachen. Die Frau an der Theke wirft uns schon merkwürdige blicke zu und überlegt sich wohl, ob sie uns nicht rauswerfen soll da wir so laut sind. Aber das ist mir gerade egal, auch dass man mich so fotografieren könnte und es meinem Vater negativ anwerten könnte. "Music makes us high", schwappt mir durch den Kopf und davon muss ich wieder lachen. "Gut einverstanden ich kann nicht mehr", hächele ich während ich mir die Seite halte. Schon lange nicht mehr hatte ich so befreit gelacht und mich so unbeschwert gefühlt.

Als wir zurück zu unserem Tisch gehen - noch geschüttelt vom Lachen - werfe ich kurz einen Blick auf die Uhr. 'Verdammt, wo ist die Zeit verflogen?' Ohne dass ich es gemert habe ist es bereits weit nach Mitternacht.
"Willst du etwas trinken", frage ich ihn, da mein eigener Mund mehr als ausgetrocknet ist.

Während wir zurück gingen folgte ich automatisch ihrem Blick zur Uhr, aber die zeit war mir gerade egal, wir hatten so viel Spaß und man konnte ja wohl mal auch ausnahmen machen. "Ja bitte..aber ich glaube ich veezichte auf noch mehr koffein, sonst werden wir hier am Ende noch rausgeworfen", antworte ich grinsend "ein Wasser reicht grade vollkommen." und überlege ob ich mich auf die Bank fallen lassen soll oder mit zur Bar gehen.

"Bestimmt eine gute Idee", meine ich. Dann gehe ich zu der Bedienung, die uns schon die ganze Zeit so seltsam beobachtet hat, und bestelle zwei Wasser.
Die beiden Gläser bringe zu unserem Tisch und leere meines gleich in einem Zug. "Und jetzt? Noch mal singen oder bowlen, oder einfach nur hier sitzen bleiben?"

Ich beschloss mich auf das Poster fallen zu lassen, als Nina mit den beiden Glässern kam. Schnell leerte ich es um den Durst zu verscheuchen. "Ich glaube wir sollten eine kurze Pause machen. Die Frau sieht aus als würde ihr es nicht so gefallen wenn wir gleich noch einmal ihre Kundschaft mit unserem geträllere belästigen. Aber ihr Blick ist aber immer noch weniger genervt als vorhin bei den 3 Grazien. Also haben wir doch noch einbisschen Spielraum bevor sie uns rauswirft.", füge ich noch grinsend hinzu.

"Also wenn ich mal so nervig bin, wie die drei Hühner, gebe ich mir die Kugel", erwidere ich mit einer fast toternsten Stimme, bevor ich wieder zum Lachen anfange. Um wieder runter zu kommen, bediene ich mich an der Schale Erdnüsse, die in der Mitte des kleinen Tisches steht.
"Kriegst du Ärger, wenn du so lang fort bist? Oder vermieten deine Eltern dann dein Zimmer um das Lösegeld für dich zu bekommen?", frage ich ihn. Ein Standartsatz meine Mutter früher, was sie tun würde, wenn ich entführt würde. Früher habe ich es lustig gefunden, heutszutage würde ich es ihr sogar zutrauen.

Und schon wieder lachen wir. Auch als Nina in die Schale mit Nüssen greift werde ich nicht ruhiger. "Ihh..wie kannst du das essen? Stell dir mal vor die Leute die da davor reingefasst haben haben sich vorher nicht die Hände gewaschen!" und strecke ihr kurz die Zunge raus. "Nachdem meine eltern wissen , dass ich nicht pünktlich um 9 auf der Matte steh und sie wissen mit wem ich unterwegs bin und sie dir wohl nicht zutrauen mich zu entführen eigentlich nicht. Mein Zimmer würde mein Vater eher zu einem Büro umbauen als es zu vermieten und für das Lösegeld müsste wohl die Regierung aufkommen und ich wäre auf 5.000 Hollobildern und im Fernseh."

"Es sind immer die, von denen du nicht glaubst, dass sie auch nur einer Fliege was zu Leide tun können", erwidere ich und stopfe mir trotz seiner Wahrnung eine Hand voll Nüsse in den Mund. Wer eine schale mit Cornflakes essen kann, von der er später bemerkt, dass sie zuvor als Aschenbecher gedient hat, kriegt auch Barerdnüsse runter. "Vielleicht entführe ich dich wirklich und um das Lösegeld kaufe ich Richi eine neue, nettere Kaffeemaschine", überlege ich laut.

"Oh nein! Das kannst du nicht! Die heilige, göttliche Kaffeemaschine einfach austauschen! Bist du von allen Geistern verlassen?", und starre sie gespielt entgeistert an. "Einfach den Kaffeegott ermorden, das hätte ich nie von dir gedacht! Aber ich würde zu gerne sehen, wie du versuchst mich zu entführen", lachte ich kurz auf um sie daraufhin herausfordernd anzugrinsen.

"Ich hab den ganzen Tag Drogen in deinen Kaffee getan, in ungefähr einer Stunde kippst du völlig Banane um und dann bringen ich und ein Hintermann dich zu einem geheimen Versteck und erpressen dann deine Leute", erkläre ich den sehr gut ausgedachten Plan lachend. Okay, langsam glaub ich wirklich daran, dass in meinem Kaffee oder in der Pizza oder sonst wo, irgendetwas hinein gemischt wurde.

"Ja das würde mein Verhalten erklären, aber hast du dann zufällig auch aus meinem becherchen getrunken oder dir ausversehen den selben Kaffee eingeschüttet. Ooooder du bist eine perfekte Schauspielerin. Aber sag deinem Hintermann, dass ich im Schlafen um mich schlag und das geheime Versteck wohl der hinterraum oder der Keller des Komas ist", versuchte ich hinterhältig lachend ihren Plan zu zerstören.

"Mist, du hast es eraten", meine ich und schlage gespielt angefressen in die Luft. "Na ja, dann nehme ich halt Plan B, dich nach dem Kaffee so süchtig machen, dass du so viel trinkst, dass wir eine neue Kaffeemaschine bekommen. Das kostet mich wenigstens nicht den Kopf, falls es schief geht." Lache ich. Die Bedienung sieht uns böse an, anscheinend glaubt die Frau wirklich, wir seien bekifft oder so.

"Ich bin eben gut im raten meine Liebe..ähm ich meine im Fälle auflösen .. nennen Sie mich ruhig sherlock Kraal mylady", gebe ich zurück. "Ich glaube dass ist der effektivere Plan. Und shcon mal ausgerechnet wie oft ich noch zum Kaffee trinken kommen muss bzw wie viel Tassen ich trinken muss? So lange wird es nicht mehr dauern oder?" dann lachen wir erneut. Kurz bin ich am überlegen, ob wir uns nicht einen neuen aufenthaltsort suchen sollen, damit die Dame endlich ruhe hat.

Wir albern ja nur noch herum. "Nein, hab ich noch nicht, Sherlock, aber viele können es nicht mehr sein", entgegne ich und nehme mir noch eine handvoll Erdnüsse. Die schmeckten bereits letschert und ich verabschiedete mich von der Vorstellung, dass hier die Schalen jeden Tag frisch aufgefüllt werden. Angewidert verziehe ich das Gesicht und schiebe die Schale von mir weg.
"Also ich könnt jetzt wieder singen", meine ich. "Die Bedienung sieht uns ja so bittend an."

Wir verbringen die ganze Nacht in der Karaokebar. Wir singen, spielen auf der Bahn bowling, wobei Jair mich haushoch schlägt, und scherzen die ganze Zeit herum. Es kommen immer wieder Leute und gehen, aber es sind keine interessanten dabei. Der Abend ist einfach toll, und es ist viel zu früh vier Uhr in der Früh - Sperrstunde. Ich glaube die Bedienung hat sich schon die ganze Nacht darauf gefreut uns endlich vor die Tür setzen zu können. Auf jeden Fall prangt ein zufriedenes Lächeln auf ihren Lippen, als sie uns hinaus schickt. Noch ein Grund warum wir weiter lachen müssen. Aber langsam lässt die Wirkung des Kaffees nach und ich fühle mich doch ziemlich müde.

SO einen lustigen Abend hatte ich shon lange nicht mehr. Eigentlich war es Personen unter 21 nicht erlaubt später als 24 Uhr unterwegszusein, jedenfalls ohne Begleitung "Erwachsener". Aber da uns niemand fragte und man uns nicht so einfach verhaften konnte, war alles kein Problem. Und nun standen wir um kurz nach 4 vor der Karaokebar, lachend, glücklich und zufrieden. "Gut und jetzt?", sagte ich immer noch lächelnd und da mir nichts anderes einfiel und ich noch viel zu albern, aufgedreht naja eher übermüdet war hängte ich noch ein ironisches "Zu mir oder zu dir?" an.