Im Wald war es richtig kalt und feucht. Unter meinen Füßen war Moos. Meine Schuhe waren sofort patschnass vom morgendlichen Tau. Ich ging vorsichtshalber tiefer in den Wald, bevor ich nach Kaloosh rief. Ich wollte auf keinen Fall von einem Friedenswächter gehört werden, der seine Morgenrunde drehte. Für mich war es ohnehin jedes Mal ein Spiel auf Leben und Tod, wenn ich in den Wald ging, da ich nicht so gut einschätzen konnte wie andere, wo ein Friedenswächter genau war. Ich strich mit der Hand über die raue Rinde der Bäume. Auch sie war noch feucht. "Kaloosh!", rief ich meine treue Freundin. "Bist du hier irgendwo?" Keine Antwort. Natürlich nicht. Das konnte man von einem Hund auch nicht gerade erwarten. Ich rief wieder und wieder und ging dabei immer tiefer und tiefer in den Wald hinein. Ich hatte das Gefühl, dass alle Tiere vor mir flohen, weil ich so einen Lärm machte. Nach einer halben Stunde Fußweg kam ich bei meiner ersten Falle an. Sie war leer und ich stellte mich so ungeschickt an, dass ich sie versehentlich auslöste und meinen Finger in einer Schlinge fing. Ich stieß hörbar die Luft aus, als der dünne Draht in meinen Finger schnitt. "Au!", entfuhr mir. Ich nahm mein Messer und schnitt mich frei. Die falle hatte ich unbrauchbar gemacht. Verärgert schnitt ich den Draht vom Baum und wickelte ihn auf. Meinen verletzten Finger im Mund ging ich weiter. Ich schmeckte Blut. Der metallige Geschmack verbreitete sich in meinem ganzen Mund. Ich mochte den Geschmack von Blut. Ich wusste selbst nicht wieso. Kalooshs Namen murmelnd stolperte ich durch das Dickicht in Richtung meiner nächsten Falle.
Ich hatte sieben weitere Fallen kontrolliert und bereits einen kleinen Vogel als Jagdbeute an meinem Gürtel hängen, als ich beschloss, die Suche woanders fortzusetzen. Die Sonne schien mir warm auf den Rücken und es waren gewiss schon mehrere Stunden vergangen. Noch wenige Minuten und ich würde bei meiner letzten Falle ankommen. Dann würde ich umdrehen. Ich kam bei der Falle an, da hörte ich ein Jaulen. Es kam von Kaloosh, da war ich mir sicher. "Kaloosh?", rief ich fragend in den Wald hinein. Wieder dieses herzzerreissende Jaulen. "Kaloosh!", schrie ich und rannte los. "Halte durch! Ich komme!" Ich achtete nicht auf meine Schritte und kam mehrmals ins Stolpern, doch ich fing mich immer wieder und rannte weiter. Ich wollte nicht, dass meiner Hündin etwas geschah. Sie war das Einzige, das mir noch etwas bedeutete. Während ich rannte, kam ich dem Zaun immer näher. Kaloosh war irgendwo im Distrikt. Irgendwo in meiner Nähe. Dann war es still. Wo war ich? Ich wusste es nicht mehr. Ich hatte mich verlaufen. Ausgerechnet im Wald. "Kaloosh!", rief ich. Dann lauschte ich. Nichts! Das Jaulen war verstummt. Panik machte sich in mir breit. "Wo bist du denn?" Ich war völlig verzweifelt. Ich versuchte mich zu orientieren, doch ohne etwas zu sehen war das nicht einfach. "Mama!", jammerte ich. Ich spürte eine Träne heiß meine Wange hinunter laufen. Wütend wischte ich sie weg. Wer war ich denn, wenn ich sofort anfing zu heulen. Das war ich nicht. Ich war stärker. Das hatte ich die vergangenen Jahre oft genug bewiesen. "Ok!" Ich klatschte in die Hände. "Dann gehen wir mal zurück!" Ich drehte mich um und machte mich auf den Weg. Beim Gehen sprach ich mit mir selbst, um mich nicht so allein zu fühlen. Ich hatte mich verlaufen und machte mir Sorgen um Kaloosh. Und meine Mutter würde ohne mich wahrscheinlich auch nicht überleben. "Kaloosh! Komm her meine Kleine! Kaloosh!" Immer und immer wieder versuchte ich sie zu rufen. Ich pfiff, klatschte in die Hände und rief ihren Namen. Die ganze Zeit hoffte ich, dass sie antwortete, zu mir kam. Doch das tat sie nicht. Meine Füße schmerzten, ich hatte die Hoffnung, meinen Hund zu finden aufgegeben. Es wurde langsam Abend. Ich ließ mich nieder. Irgendwo tief im Wald. So tief war ich noch nie darin gewesen. Ich machte ein Feuer und briet meinen Vogel. Er war klein, doch er reichte leicht für mich. Als ich satt war, legte ich mich zum Schlafen nieder.
Eine feuchte Zunge weckte mich. Sofort war ich hellwach. "Kaloosh!", rief ich aus. "Da bist du ja!" Ich nahm ihren Kopf in meine Hände und küsste sie auf die Stirn. "Du Liebe du!" Vor Freude fing ich fast wieder an zu weinen. "Ja, eine ganz Brave ist sie. Und dumm genug, mich zu ihrer Besitzerin zu führen!", sagte eine tiefe, gehässige Stimme. Ich zuckte zusammen und sah in die Richtung, aus der sie gekommen war. Eine grobe Hand packte mich am Arm und zog mich in die Höhe. "Eine falsche Bewegung und die blöde Töle ist tot!" Verängstigt stolperte ich hinter dem Mann her. Es war ein Friedenswächter, da war ich mir sicher. Er schleifte mich durch den Wald. Knapp 10 Minuten später hörte ich das vertraute Summen des Zaunes. Ein Schlüssel klapperte, der Friedenswächte sperrte ein Schloss auf. Er packte mich und drückte mich fest an sich. "Ein Tor", sagte er erklärend und ein wenig Stolz schwang in seiner Stimme mit. "Ja, ganz toll", murmelte ich mit sarkastisch, doch der Friedenswächter schien nichts zu merken, denn er brummte zufrieden. "Was hast du im Wald gemacht?", fragte er wütend. "Ich...ich habe meinen Hund gesucht. Sie ist...ähm...weggelaufen. In den Wald. Ich hab sie nur gesucht, weil...sie hat...sie hat eine Krankheit...und...und braucht jeden Abend Medizin. Ja genau! Und wenn sie die nicht bekommt, dan stirbt sie", stotterte ich. Ich hoffte, dass die Geschichte glaubhaft genug war, doch die Chancen waren nicht sehr groß. "Ah ja! Na, wenn sie so krank ist, dann sollte wir sie von ihrem Leid erlösen." Er entsicherte sein Gewehr. "NEIN!", schrie ich und tastete nach dem Gewehr, um es ihm aus der Hand zu reissen. "Bist du blind?", fragte er etwas erstaunt. "Ich...ja! Ja ich bin blind, aber erst seit...Das geht Sie doch überhaupt nichts an!" "Blind also?" Der Wächter schien nachdenklich. "Hast du denn eine Familie?" "J-Nein! Nein ich habe kein Familie!", antwortete ich. Auch wenn ich meiner Mutter völlig egal war, wollte ich nicht, dass ihr etwas geschah. "Doch, das hast du!", knurrte der Friedenswächter. Ich spürte den kalten Lauf seines Gewehres an meiner Schläfe. "B-bitte! Bitte nicht!", bettelte ich. "Dann führ mich zu deiner Familie. Irgendjemand muss schließlich bestraft werden." Er lachte wieder gehässig und schubbste mich. "Auf auf! Und wehe du zeigst mir den falschen Weg! Dann bist du dran!" Vor Angst zitternd lotste ich den Friedenswächter zu meinem Haus.