Villa Swell

Eigentlich ist die dreistöckige Villa zu groß für eine einzige Person, aber schließlich wohnen ja noch meine fünf Avoxediener in den Zimmern im Keller. Die Villa ist in einem dunklen Blau gestrichen und mit großen Fenster ausgestattet. Im Keller befinden sich außer den Avoxzimmern noch ein echt großes Hallenbad und eine Sauna. Das Erdgeschoss ist knallbunt gestrichen. Hier befindet sich Küche, Esszimmer, Wohnzimmer, ein Gästezimmer, in dem meine Eroberungen und ich die gemeinsamen Nächte verbringen. Im ersten Stock sind alle möglichen Hobbyräume. Mein Musikzimmer, ein Trainingsraum und das Fernsehzimmer. Im zweiten Stock sind mein Schlafzimmer und die Zimmer für meine Hündin Inge. Ganz oben gab es noch eine weitere Küche.

Das Surren eines - schon zum hundertsten Mal zu Tode verfluchten - Weckers riss mich aus dem Schlaf. Auch Ingi, die wie immer neben mir im Bett geschlafen hatte, hob den Kopf und knurrte müde.
Schlaftrunken streckte ich meinen Arm unter der Decke hervor in die Kälte des Zimmers und tastete mit geschlossenen Augen nach der nervenden Lärmquelle. Wie ein prähistorischer Neandertaler schlug ich so lang darauf ein, bis es endlich still war. Dann zog ich meinen Arm zurück in die mollige Wärme, drehte mich um und murmelte schon wieder halb eingeschlafen: "Noch fünf Minuten."

Stumm - gut uns blieb auch nicht viel anderes übrig - richteten Amber und ich das Frühstück für Swell her. Ich schlief noch fast und führte jeden Handgriff automatisch durch. Tisch decken, die Pfanne mit dem frisch gekochtem Rührei auf eine Heizplatte stellen, damit sie nicht kalt werden, bis unser Herr auftauchte.
Amber schlug mit der Rückseite des Brotmessers gegen den Tisch um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Lächelnd wandte ich mich ihr zu und sie deutete auf die Uhr. Eigentlich war es klar. Wozu stellten wir eigentlich jeden Nachmittag den Wecker für Swell, wenn er trotzdem nicht erwachte? Mit einem Geräusch, das an ein Knurren erinnerte, wandte ich mich zu der Treppe. Zog mir dabei noch die Schürze aus und öffnete den Haargummie, so dass meine braunen Haare wieder in Locken über meine Schultern fielen.
Ein paar Minuten später stand ich in dem Zimmer von unserem Herrn, ein Privilleg das nur mir zustand. Ich hätte zugern darauf verzichtet. Der Mann schlief noch immer tief und fest, der Wecker lag neben seinem Bett am Boden und auch der Hund ließ sich nicht durch meine Ankunft aufwecken.
Wie oft ich hier schon gestanden hatte, ein scharfes Küchenmesser in der Hand und drauf und dran war, Swell einfach die Kehle aufzuschlitzen, konnte ich nicht mehr sagen, aber ich hiel immer Inne in dem Gedanken an meine kleine Kimi.
Ich räusperte mich, aber nur der Hund blickte kurz auf. Ingi beobachtete mich einen Moment, entschied sich dann anders und legte ihren Kopf wieder hin. Okay, dann blieb mir nur noch eine Möglichkeit. Ich hohlte aus und trat die Tür mit voller Wucht zu.

"Verflucht!", stieß ich aus, als mich das Geräusch eines Schusses aus dem Schlaf riss. Ich saß senkrecht im Bett. Als ich mich jedoch in meinem Zimmer umsah, erkannte ich, dass der Ursprung der Geräusches nicht etwa aus einer Knarre gekommen war. Das nichtsnutzige Ding von Dienerin stand vor der geschlossenen Tür - die höchst wahrscheinlich für den Lärm verantwortlich gewesen war - und lächelte selbstgefällig.

Ich konnte nicht anders, er sah einfach zu witzig aus, wie er mit verstrubbelten Haaren so erschrocken in dem Bett saß. Wie dächte er denn sonst, dass ich ihn wecken würde? Rufen konnte ich ihn ja nicht und einen Guten-Morgen-Kuss - nie mals, nie, nie, nie. Da könnten mich das Kapitol lieber umbringen, als das ich so was tun würde...

Ich verzichtete darauf, sie wegen ihrer ungeheuren Frechheit zu bestrafen, sie lernte es ja doch nicht. Stattdessen bückte ich mich nach dem Wecker und erschrack, als ich auf das Ziffernblatt sah.
"Scheiße, ich hab über ne halbe Stunde verpennt", stieß ich hervor und wandte mich vor Wut kochend, an die Dienerin: "Kannst du nicht einmal die einfachsten Dinge? Wie oft muss ich es dir noch sagen, dass du mich nach 10 Minuten später wecken sollst, wenn ich nicht wie üblich unten stehe?"

Ich zuckte mit den Schultern. Dachte er echt, ich würde ihm eine andere Antwort geben können? Dann verließ ich ohne eine Aufforderung ab zu warten das Zimmer um unten noch nach dem Rechten zu sehen.

Mürrisch und noch immer Hundemüde, quälte ich mich aus dem Bett. Inig beobachtete mich mit einem Blick, der zu fragen schien: "Das ist doch nicht dein Ernst? Komm lass uns weiter schlafen."
"Sorry Kleine, die Arbeit ruft", entgegnete ich ihr und zog mich an.
"Komm, es gibt Fresschen", rief ich meiner Hündin zu, als ich schon in der offenen Tür stand. Einen Moment schien sie noch zu überlegen, ob es die Mühe wert war, auf zu stehen, dann sprang sie auf und lief mit wedeldem Schwanz an mir vorbei nach unten. Mit einem Lächeln folgte ich dem Tier.

Als Leikur die treppe herunter kam und sich an den Esstisch setzte, wirkte er ungewöhnlich fröhlich und ich beschloss nach dem er gegessen hatte, ihn um einen Gefallen zu bitten.

Irgendwas führte diese Anobis im Schilde, dass spürte ich. Von den anderen Avoxen fehlte jede Spur, aber es störte mich nicht wirklich. Ich war ein Morgenmuffel und es interessierte mich nicht, schon so früh mehr Menschen als nötig um mich herum zu haben.
"Wird's bald?", fragte ich Richtung Küche.

"Wird's bald?", rief er gerade in meine Richtung, als ich auch schon mit einem Teller Eierspeise herein kam. Zufrieden nickte er und begann zu essen. Auch dem Köter brachte ich eine Schale Fleisch und tischte dann alle drei Gänge auf, die ein normales Frühstück von Swell einnahmen.
Während er mit der Schüssel frischen Obstsalat - eine Deligatesse, die ich nur auf Grund meines Wunsches zubereitet hatte - kritzelte ich in der Küche mein begehren auf einen Zettel.

Ich wollte fragen, ob es möglich wäre, dass ich nach dem ich die Einkäufe erledigt habe, eine halbe oder eine Stunde frei bekommen könnte um meine Tochter zu besuchen. Mehr hatte auf dem kleinen Zettel nicht platz, den ich Swell mit einem hoffnugsvollem Lächeln auf den Tisch legte.

Der Obsalat ist wirklich ein Highlight des heutigen Frühstücks und bringt verbessert meine Laune ungemein. Ich sollte ihn jeden bestellen, aber dann wäre er vermutlich bald nicht mehr als gewöhnlicher Alttag, zu schade.
Peshewa kommt erneut um die Schüssel weg zu räumen und legt mir einen Zettel hin. Schnell überfliege ich die Bitte, die sie darauf geschrieben hatte. Eigentlich würde nichts dagegen sprechen und ich kannte meine Dienerin mittlerweile gut genug um zu wissen, dass sie auch gegen meinen Willen es täte. Also was sollte es.
"Okay, du darfst gehen, aber nimm Ingi mit, sie braucht mal wieder längern Auslauf."
Damit stand ich auf um nun endlich zur Arbeit zu gehen.

-> Die heilige Hallen der Spielemacher

Echt? Das war leichter als erwartet, aber ich war die letzte, die sich darüber beschweren würde. Fröhlich summend - wenigstens das konnte ich noch immer - räumte ich die letzten Überreste des Frühstücks zusammen und zog mich an.
Zusammen mit Ingi erledigte ich schnell die Einkäufe um mich dann mit meiner Mutter und meiner kleinen Tochter im Kaffee Koma zu treffen.

--> Café Koma

--> vom Park

Gerade als ich zu Swells Haus einbiege, beginnt Ingi unruhig an der Leine in die andere Richtung zu ziehen. Als ich sehe, wo sie hin will. Da geht die Kellnerin aus dem Café Koma und wieder kommt mir ihr Gesicht so bekannt vor. Nachdenklich schüttele ich den Kopf, vermutlich habe ich sie nur schon mal im Koma gesehen, meine Mutter mag dieses Café weil sie angeblich nirgends so guten Kaffee bekommt.
Ich öffne das Gartentor und lasse Ingi von der Leine, vergnügt springt sie herum und versucht in der aufkommenden Dunkelheit nach ein paar Glühwürmern zu schnappen. Kurz sehe ich ihr nach, dann verschwinde ich in dem Haus um den anderen zu helfen das Abendessen für Swell herzurichten.

--> von den Heiligen Hallen der Spielemacher

"Wau, wau", klaffend begrüßt mich Ingi, als ich die Haustür aufschließe. Freudig wedelt sie mit dem Schwanz und versucht an mir hoch zu springen. In solchen Momenten kann ich nur sagen, dass ein Hund viel besser ist, als jede Ehefrau der Welt. Egal wann man heimkommt, das Tier wartet auf einen und freut sich immer einen zu sehen. Es gibt keinen Zoff, für einen Hund muss man nicht jeden Woche neue Schuhe kaufen und was die anderen Aufgaben einer Frau angeht - wozu hat man Diener und jede Menge One-Night-Stands?
Appropo andere Aufgaben, schon hier im Vorhaus duftet es nach dem Abendessen und mein Magen meldet sich, da ich während der Arbeit mal wieder darauf vergessen habe, Nahrung zu mir zu nehmen.
Kurz verschwinde ich nach oben und ziehe mich um, bevor ich nach unten zum Essen gehe.

Meine Aufgabe besteht beim Abendessen machen, darin die Gerichte zu kochen, während mir die beiden jüngeren Avoxe die Zutaten vorbereiten und geben, Judith richtete dann die Speisen an und Amber brachte sie Swell anschließend an den Tisch. Ist es eigentlich sexistisch, dass Swell nur Frauen, und meiner Meinung nach hübsche, einstellt? Ich zucke die Schultern, als Antwort auf meine eigene Frage, und gieße noch etwas Milch in das Kartoffelpüre. Solange er uns nicht zu anderen Dingen zwingt, ist es mir eigentlich egal. Und bis jetzt hat er noch nie auch nur eine unangemessene Berührung an uns verschwendet.
Amber kommt mit dem leeren Suppenteller zurück und stellt ihn in die Spühle. Sie wirft Judith und mir ein Lächeln zu und hebt zwei Finger, als Zeichen dass es Zeit für den zweiten gang ist. Judith nickt und reicht ihr eine Platte mit Fisch und kleinen Kartoffeln.

Genüsslich lasse ich mir das Abendessen schmecken. Ich liebe diese Ruhe nach der Arbeit. Wer auch immer auf die Idee gekommen ist, Avoxe zu machen, war genial.
Amber bringt mir eine Teller mit blutigen Steaks und stellt Ingi eine Schale mit Knochen hin. Freudig wedelt die Hündin mit ihrem Schwanz und macht sich dann gleich darüber her, während ich mich an die Dienerin wende: "Amber, würdest du mir bitte Peshewa herschicken."
Erstens will ich mich selbst davon überzeugen, dass sie wieder da ist und ich nicht eine Anzeige aufgeben muss, und zweitens wollte ich schon noch mal ein 'Danke', dass ich ihr das erlaubt habe.

Als Amber wieder in die Küche kommt, deutet sie mir an, dass ich ins Esszimmer bestellt wurde. Ich verdrehe die Augen, ist ja eigentlich klar, dass Swell es nicht so einfach auf sich beruhen lassen würde. Ich atme tief durch und sage mir, dass alles was kommt, den schönen Tag nicht ruinieren kann. Außerdem bis auf seinen Job und dem hin und wieder übertriebenen Alkoholkonsum, ist er nicht ganz so unausstehlich.
Judith streckt mir mit einem Lächeln ein Fleischmesser mit dem Griff vorran hin. Ein alter Scherz bei uns, denn in gewisser Weise träumen wir alle davon, ihm ein Messer in den Rücken zu rammen. Ich schüttle den Kopf und rufe mir wieder das Bild meiner kleinen Tochter ins Gedächtnis, dann trete ich hinaus und plötzlich weiß ich, warum mir die Bedienung im Café Koma so bekannt vorgekommen ist...

Ingi winselt, als müsste sie noch einmal hinaus um ihr Geschäft zu erledigen.
Meine Dienerin betritt den Raum und bleibt unschlüssig an der Wand stehen. Als ich meinen Kopf zu ihr umdrehe, scheint eine Art Erkenntnis in ihr aufzuflackern. Eigentlich wollte ich mit ihr spielen, aber da Ingi dringend raus muss, beschränke ich mich auf die eine Frage: "Und war dein Tag schön?"

... mein Boss hatte die selbsen Gesichtszüge wie die Kellnerin. Hatte er eine Tochter? Oder eine um einiges jüngere Schwester? Wusste er von dem Kind?
Ich brauchte einen Moment um auf seine Frage zu reagieren, eigentlich hatte ichanderes erwartet, aber vielleicht rettete mich der winselnde Hund im Moment vor einer längeren Diskusion. Ich lächelte und hielt mich gerad noch rechtzeitig zurück, ihm nicht in Gebärdensprache zu antworten. Wir Avoxe wussten natürlich, dass er sie verstand um zu erfahren ob wir über ihn redeten, aber er tat immer als verstehe er nichts und wurde wütend, wenn wir auf diese Weise mit ihm kommunizieren wollten. Also nahm ich einen Stift und einen Block von der Ablage und schrieb schnell ein paar Worte darauf: "Ja sehr gut, vielen Dank noch mal." Das mit der verlorenen Tochter würde ich wohl wann anders ansprechen.

Ich verdrehe die Augen. Normal würde ich mich mit so einer kurzen Antwort nicht zufrieden geben und vermutlich ihren ganzen Tag erfahren wollen. Nur eine Sicherheit, denn sie hat schon früher einer Rebellengruppe angehört, aber das würde warten müssen. Denn Ingi scheint kurz davor zu sein auf meinen teuren Fußboden aus Tropenholz - das fast ausgestorben ist - zu pinkeln.
"Ich gehe mit Ingi in den Park", erkläre ich knapp und verlasse mit dem Hund mein Haus.

---> zum Park

--> vom Park

Als ich heimkomme, fühle ich mich extrem müde. Ich rufe nach irgendeiner meiner Dienerinen, dass sie Ingi waschen sollen, aber ich kümmere mich nicht darum, wer von ihnen kommt und ob überhaupt. Schließlich sind sie ja selbst dafür zuständig, dass die schmutzigen Pfotenspuren von dem Hund bis morgen früh verschwunden sind.
"Gute Nacht, Kleine", meine ich noch und wuschle Ingi durch das Fell an ihrem Kopf, dann ziehe ich die Tür zum Wohnbereich hinter mir zu und gehe ins Schlafzimmer. Für irgendwelche Waschaktionen bin ich bereits zu ko. Ich ziehe mich bloß bis zur Boxershort aus und lege mich dann ins Bett um zu schlafen.

Müde schäle ich mich am nächsten Morgen aus dem Bett. Es ist der Tag der Ernte und eigentlich ein nationaler Feiertag. Es gibt nur drei Berufsklassen, die heute arbeiten müssen. Erstens die Sozialdienste, also Rettung, Feuerwehr und Friedenswächter, zweitens die Moderatoren der einzelnen Distrikte, die das gesamte restliche Jahr nichts zu tun hatten und - überraschung - wir Spielemacher, die sich sowieso schon das ganze Jahr über damit beschäftigen, die Spiele zu organisieren und dann darf man nicht mal den ersten Auftackt live miterleben. Die Welt ist ungerecht.
Missmutig nehme ich mein Frühstück zu mir und mache mich dann fertig für die Arbeit.

--> zu den Heiligen Hallen der Spielemacher

Als ich am nächsten Tag aufwache ist es schon fast Mittag und selbst durch das kleine Fenster in dem Zimmer, dass ich im Keller der Villa bewohne, scheint bereits helles Tageslicht. Erschrocken setze ich mich auf, verdammt ich habe total verpennt. Swell wird vermutlich extrem sauer sein, dass ich nicht wie üblich das Frühstück serviert habe. Aber dann schüttle ich den Kopf, wenn es so wist, hätten mich die anderen geweckt. Wir sind alle gut befreundet und daher bezweifle ich, dass mich eine von ihnen verraten würde.Vermutlich hat einfach Judith oder Amber meiner Aufgaben übernommen.
Ich brauche noch einen Moment bevor mir auch der Grund dafür einfällt und am liebsten würde ich wieder in meinen Kissen versinken um mich vom Schlaf übermannen zu lassen. Heute ist der Tag der Ernte und damit jährt sich auch zum dritten Mal der Tag an dem unsere Freunde, mein Gatte und ich verhaftet wurden. Was mit seinem und dem Tod einiger anderer so wie meiner Versklavung endete.