Die WG ( Aran, Annyca , ? , ? , ? , ? )

Anny's Haus -->

Die Luft hier in den kleinen Gassen war irgendwie angenehm und es beruhigte mich sogar ein wenig. Das in Leder gebundene Buch hielt ich immer noch in meinen Händen, auch als ich längst durch die Holztür der WG gelaufen und in mein Zimmer gehuscht bin.
So ziemlich alles was sich in dem Rucksack befand, hatte schnell einen neuen Platz gefunden, er selbst landete unter dem Bett.
Ich fuhr mir kurz mit den Fingern durch meine Haare, die inzwischen fast die Rückenmitte erreichten und immer noch dasselbe kastanienbraun hatten wie vor der Arena, obwohl ich vorhatte mir diese färben. Dann nahm ich das Buch erneut in die Hände und fuhr die geschwungenen Goldlinien auf dem Einband nach. Als ich es durchblätterte sah ich die erwarteten Dinge. Die Feder eines Vogels, eine alte Münze, sogar eine Landkarte von Panem mit eingekreisten Orten die ich einmal besuchen wollte waren darin. Und Gedanken und Geschichten hatte ich hinein geschrieben, was alles sehr lange her war.
Aber ich wollte sie nicht mehr lesen, es hatte sich zu vieles verändert und die Zukunft sollte mich jetzt mehr interessieren als meine Vergangenheit.
Ich beschloss kurzerhand diese Erinnerungen mit jemandem zu teilen, auch wenn nicht so tolle Ereignisse wie die Wutausbrüche meines Vaters darin beschrieben waren. Die einzige Person die mir in den Sinn kam war Aran. Ich kannte ihn noch nicht gut, aber etwas verriet mir, dass es die womöglich geeigneteste Person aus dem ganzen Distrikt war.
Wieder lautlos durchquerte ich den kleinen Gang und stand im Türrahmen seines Zimmers, in welchem er sich immer noch befand.
Ich umrundete ein paar Bücherstapel und setzte mich schließlich im Schneidersitz vor sein Bett und sah ihn an.
"Hey. Ich hab etwas, das dieser Korkwand vielleicht ähnelt", sagte ich schlicht und einfach und lächelte ihn kurz an. Eine vielleicht etwas zu einfache Begrüßung und keine Frage wie es ihm geht. Die Tatsache dass ich mir nicht groß Gedanken darüber machte was er denken konnte fiel mir erst im Nachhinein auf.

Kurz nachdem ich Annyca meinen Namen genannt hatte, nickte sie zur Kenntnis nehmend. Es war schwer aus ihrer Miene zu lesen, aber es schien als hätte sie etwas sagen wollen, es sich dann aber anders überlegt. Nur mit großer Mühe konnte ich mich zurückhalten nachzufragen, denn da war sie wieder: meine unendliche Neugier. Ich zwang mich erfolgreich zu schweigen. Sie entfernte sich, und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie trat einen Schritt zurück. Für einen kurzen Moment sah ich an ihr vorbei an einen Bücherstapel. Es fehlten nur noch zwei Schritte, dann würde sie ihn umstoßen und die Dominowelle würde starten. Der Boden meines Zimmers wäre mit Büchern überflutet. Im ersten Moment mag das nach Chaos klingen, auch für mich, aber im nächsten Moment war es eine Angenehme Vorstellung. Ein passender vergleich wäre es, ein Kind in eine Badewanne voller Süßigkeiten zu setzen. Ein flüchtiges Lächeln huschte über mein Gesicht und verweilte einen Moment in meinen Mundwinkeln, bis ich mich wieder der Realität widmete, da Annyca doch etwas zu sagen hatte. Sie stellte sich vor, obwohl sie wusste dass ich wusste wer sie war. Man hätte es Überflüssig nennen können, aber ich mochte es. Sie ließ es sich anscheinend nicht nehmen sich selbst vorzustellen. Außerdem war sie hier. Sie stellte sich anders vor. Wenn man ehrlich war, wurden sie im Fernsehen doch nur Vorgeführt. Sie wurden zur Schau gestellt, das war alles. Ich lächelte Annyca an. „Schön dich kennenzulernen, Annyca“, entgegnete ich, während sie ihren Blick auf Wanderschaft durch mein Zimmer schickte. Ich frage mich, ob mein Raum wirklich meine Persönlichkeit wiederspiegeln konnte, und sah mich ebenfalls um, als wäre dieser Raum mir fremd. Sie verabschiedete sich abrupt, und wenige Augenblicke später war sie auch schon weg. Ich sah einen Moment auf meine Zimmertür, die einen kleinen Spalt offen stand, aber wieder fesselte die Korkwand meine Aufmerksamkeit, ehrlich gesagt, war es nur ein einziger Zettel. Er war noch strahlend weiß, aber die ausgefransten Ränder ließen vermuten, dass er irgendwo herausgerissen worden war. Ich las laut, denn ich mochte es, wenn sich dieser sonst so leise Raum mit Stimme füllte. „Vielleicht wirst du nicht erreichen was du willst, aber auf dem Weg dahin könntest du etwas viel besseres finden.“ Ich kam nicht umhin mir einige Situationen dazu auszudenken. Woran der Schreiber dabei wohl gedacht hatte? Ich stand auf, schlug mein Kissen auf und legte meine Decke ordentlich zusammen. Ich schob einige Bücherstapel hin und her, und als würde der Raum nun ganz anders wirken, betrachtete ich stolz mein Werk. Über eben diesen Stolz musste ich aber letztenendes Lachen und begab mich immer noch mit einem grinsen auf den Lippen und einem Zitat in meinem Kopf in die Küche, weil mein Magen eine Mahlzeit einforderte. Ich kochte mir ein paar Nudeln und schlang sie anschließend viel zu gierig hinunter. Wo waren heute meine Manieren abgeblieben? Ich spülte das Geschirr ab, während aus dem Radio sinnlose Lieder die Küche mit Tönen füllten, die sich nicht gezwungener anhören konnten. Es gab nahezu keinen Text, und das bisschen was geblieben war, konnte man nicht wirklich Gesang nennen. Die Töne klangen, als hätte man ein Kind an ein Klavier gesetzt und willkürlich auf die Tasten eindreschen lassen. Ich beeilte mich mit dem Spülen, denn diese „Musik“ wollte ich nicht länger ertragen müssen. Zum trocknen stellte ich das Geschirr auf die Spüle und wanderte zurück in mein Zimmer. Meine Gedanken wanderten zu Élodie und der Party zu der wir eingeladen waren. Die Party, auf der ich nicht erschienen war. Innerlich ohrfeigte ich mich. Seitdem hätte ich mich doch ruhig mal bei ihr melden können! Die Frage war nur wie?
Außerdem wären ihre Eltern sicherlich nicht allzu begeistert, wenn sie sehen würden, wen sie da kennengelernt hat. Trotzdem beschloss ich, mich demnächst wieder einmal in das Straßencafe zu setzen und auf einen unmöglichen Zufall zu hoffen. Ich hörte wie sich die Tür der WG öffnete, aber da die Schritte fast nicht auszumachen waren, schätzte ich, dass es Annyca war. Da ich nichts zu tun fand, legte ich mich auf mein Bett und trommelte mit meinen Fingern auf meinem Bauch. Es dauerte einen Moment, und ich bin mir nicht sicher, was zuerst da war. Das Gefühl beobachtet zu werden, oder Annycas Stimme, aber ich schlug die Augen auf, und da saß sie im Schneidersitz vor meinem Bett und sah mich an. Sie lächelte, was mich nach ihrem kühlen Abgang etwas aus der Fassung brachte. Konnte man das mit Unberechenbarkeit beschreiben? jedenfalls lächelte sie, und ich lächelte ebenfalls. Bei ihrer Bemerkung, fiel mein Blick auf ihre Hände. Sie hielt ein Buch in der Hand, sie umfasste es fast schon liebevoll, deshalb schloss ich dass ihr Lächeln sich auf dieses Buch bezog. Unsicher, was ich erwidern wollte, sah ich sie fragend an. „Ich schätze das es etwas Gutes?“

"Kommt drauf an, aus welcher Perpektive man es betrachtet", meinte ich und schenkte Aran ein kleines, verstecktes Lächeln.
Ich legte ihm das Buch auf sein Bett und schob es ein Stückchen zu ihm. Ich wollte nicht länger diese alten Gedanken von mir in meinen Händen halten und daran erinnert werden.
Allerdings war ich mir auch nicht sicher, ob er damit etwas anfangen konnte. Vermutlich hielt er mich in diesem Augenblick für völlig geisteskrank. Ich biss mir kurz auf die Unterlippe und sah kurz durch den Raum.
"Trainierst du?", fragte ich schließlich etwas leiser, bevor ich wieder zu ihm sah. Der Themawechsel war nicht gerade perfekt gemacht, aber ich hatte nicht wirklich vor, jetzt über meine Vergangenheit zu reden. Und dabei sein wollte ich auch nicht, wenn Aran irgendwann einmal das Buch öffnen sollte.

Mein Blick ruhte noch immer auf ihren Händen, die noch immer das Buch hielten, bis sie diese langsam ausstreckte und das Buch auf meiner Matratze ablegte. Ich verfolgte ihre Aktion mit den Augen, sah sie aber forschend an, als sie es ein Stück zu mir schob. Sie war so seltsam, so anders als ich. Und doch glaubte ich sie mit der Zeit etwas besser zu verstehen. Was faselte mein Unterbewusstsein da eigentlich? Ich kannte sie ja nicht einmal einen Tag! Ich versuchte Annycas Blick einzufangen um mir erst noch einmal die Bestätigung von ihr geben zu lassen, bevor ich ihr Buch auch nur anrührte, aber sie biss sich auf die Unterlippe und sah sich im Raum um. Bemerkte sie, dass ich in ihrer Abwesenheit meine Unruhe hatte wüten lassen, oder mied sie nur meinen Blick? Ich will nicht sagen, dass ich ihr Buch ehrfürchtig entgegennahm. Ich würde es mit Respekt beschreiben. Ich hatte Respekt vor diesem ganz besonderen Buch. Meine Augen musterten die goldenen Letter, und lösten sich auch dann nicht davon, als Anny aus dem nichts ein neues Thema anschnitt. Da war sie wieder. Unwillkürlich musste ich lächeln. Worüber genau konnte ich gar nicht so genau sagen. Das war einfach Anny. „Ab und zu, für alle Fälle.“, wiegelte ich ab. Ich fand es war ein recht riskantes Thema, vor allem wenn Annyca meine Gesprächspartnerin war. „Ich werde gut darauf aufpassen.“, versprach ich und tippte mit meinem Zeigefinger nur zweimal leicht auf die goldenen Buchstaben.
Und genau das würde ich tun. Sie hatte es ohne Erklärung abgegeben, was mich immer noch stutzig machte. Vielleicht war sie immer noch irgendwo zwischen der Arena und dem jetzt und da konnte sie es nicht auch noch mit der Vergangenheit aufnehmen? Es waren alles nur Vermutungen, ich konnte natürlich nicht in ihren Kopf reinschauen. Ich stand auf und ging langsam auf ein kleines Regal zu, auf dem nur ein einziges Buch lag. Daneben legte ich das von Annyca. „Wenn du es wiederhaben möchtest, wirst du es immer dort finden.“ Mit diesen Worten kehrte ich zu meiner Matratze zurück. „Annyca? Was magst du?“ Es war eine Frage, die mich wirklich interessierte, denn aus Annyca konnte man von selbst nur wirklich schwer lesen.

Ich atmete etwas leichter, nachdem Aran das Buch zu sich nahm.
Irgendwie hatte ich erwartet, dass er es nicht einmal ansah, aber warscheinlich waren das nur alte Vorurteile, die ich gegenüber den Kapitolleuten hatte. Meistens hatten sie ja auch gestimmt.
Als da plötzlich dieses Lächeln um seine Mundzüge war, sah ich ihn vermutlich ziemlich verwirrt an.
Wie konnte eine Person es schaffen, so zu verwirren und jemanden aus dem Konzept bringen? Ich hatte wirklich keine Ahnung, aber Aran schaffte es irgendwie.
Etwas wütend über mich selbst und dass ich aus dem Jungen einfach nicht schlau wurde, atmete ich tief ein, bevor ich kurz lächelte.
Dann sagte er meinen Namen und stellte eine Frage. Es war schwerer, als man meinen sollte.
Mir war es bis jetzt noch nie so schwer gefallen, für eine Frage eine passende Antwort zu finden. Aber mir wurde diese Frage auch noch nie wirklich gestellt.
Ich öffnete kurz meinen Mund und wollte irgendetwas sagen, aber mir fiel nichts ein.
Meine Augen wanderten wieder kurz durch den Raum. Ein paar Strähnen aus der Stirn pustend überlegte ich, was ich mochte.
Früher hätte ich vermutlich sofort 'Das Trainieren' geanwortet. Damals hatte es mir ja auch noch Spaß gemacht, so ernst hatte ich es nie gesehen, aber jetzt war es etwas anderes für mich.
Ich hatte schon zu lange nichts mehr gesagt, jetzt dürfte langsam auffallen, dass ich keine Ahnung hatte.
"Ich will es herausfinden", sagte ich irgendwann leise. "Es gibt Dinge und Menschen, die mich faszinieren. Aber was ich mag konnte ich seit längerem nicht erkennen."

( Tut mir leid für die lange Abwesenheit, ich habe nicht einmal eine gute Erklärung dafür.. Ich hoffe du kommst noch ab und zu on und siehst überhaupt meine Antwort. :S )

Etwas veränderte sich an Annyca aber ich vermochte nicht zu sagen was es war, etwas an ihrer Haltung? Oder war es ihr verwirrter Blick, der den meinen traf? Ich wusste es nicht, aber etwas hatte sich an ihrer Bewegung geändert nachdem ich das Buch an mich genommen und auf den Regal platziert hatte. Ihr verwirrter Ausdruck wich einem Lächeln während sie tief einatmete. Meine Frage schien sie unvorbereitet zu treffen und es dauerte einen Moment bis sie etwas erwidern konnte. "Ich will es herausfinden", antwortete sie leise. Und das waren, wie ich fand, sehr bedachte und sehr schöne Worte. Ich schmunzelte und nickte. „Ich fände es interessant das mit dir herauszufinden, denn ich würde gerne die Originale Annyca kennenlernen und nicht die, die ich im Fernsehen gesehen habe.“, das war eine durch und durch seltsame Erklärung meinerseits, aber sie war bereits ausgesprochen und ich fand auch keine anderen Worte dafür. „Entschuldige, das klang irgendwie seltsam.“, schob ich dann aber doch noch nach und wunderte mich kurz über mich selbst. Hatte ich mich jetzt gerechtfertigt?

(ist okey. Ich war auch nicht grad wöchentlich oder täglich hier aktiv.. Irgendwo gibts dann doch Sachen die einem wichtiger sind^^)

Ich wurde beinahe ein wenig nervös, konnte man schon fast sagen.
Auf eine Reaktion von ihm hatte ich nicht wirklich gewartet, als sie dann doch kam war sie genauso überraschend für mich wie die davor. Schon wieder konnte mir Aran ein kleines Lächeln aufs Gesicht zaubern.
Ich fuhr mir kurz durch die Haare und grinste den Jungen an. Für einen Moment funkelten meine grünbraunen Augen neugierig auf und schienen mein gesamtes Wesen ein wenig zu erhellen.
Die etwas seltsame Entschuldigung oder Rechtfertigung seinerseits und sein verwirrter Ausdruck lösten wieder ein neues Gefühl aus.
Ich lachte kurz auf, ein wenig erleichtert und trotzdem schön konnte man dieses kleine Lachen beschreiben. Jedenfalls war ich so irritiert von mir selbst, dass ich sofort wieder verstummte und ihn einfach nur ansah. Ich blinzelte ein paar Mal, sammelte mich dann wieder und musste schon wieder lächeln.
"Tschuldige", murmelte ich kurz und wusste selbst nicht genau, wofür ich das jetzt gesagt hatte. "Es wäre mir eine Ehre", fügte ich schließlich noch hinzu und setzte mich etwas anders auf dem Holzboden hin.
"Frag mich was du willst und ich versuch zu antworten", meinte ich nach einiger Zeit und ließ meinen Blick wieder durch den Raum gleiten.

( Ich werde mir größte Mühe geben jetzt wieder öfter hier aufzutauchen )

Sie hob die Hand und fuhr sich durch die Haare. Normalerweise eine Geste, die man unbewusst durchführte wenn man verzweifelt war oder über irgendetwas grübelte - zumindest hatte ich das schon früh bei anderen gesehen die sich in solchen Situationen befanden. Aber Annyca grinste und das machte diese Geste zu etwas fröhlichem. Ich erwiderte ihr grinsen aus dem einfachen Grund, dass diese Fröhlichkeit gut tat, ihr hoffentlich genauso wie mir. Aus ihrem Grinsen wurde ein kurzes aber wirkungsvolles Lachen. Wie schade es war, dass sie nicht immer so war, denn leider erstarb ihr Lachen schon im nächsten Moment wieder und sie sah mich mit einem Blick an, den ich nicht einzuordnen wusste. Ich war nicht gut darin einem Blick standzuhalten, noch nie gewesen. Ab und zu war ich da – zugegeben – etwas unsicher. Ich legte den Kopf für einige Sekunden in den Nacken und lächelte vor mich hin, bevor ich Annyca wieder ansah, die erneut lächelte. Ihre Ausdrücke veränderten sich so schnell, das es eigentlich total überflüssig jeden ihrer Blicke deuten zu wollen. Aber das war eine Angewohnheit von mir, die ich wohl so schnell nicht ablegen könnte. Schon als ich klein war, hatte ich mich bemüht jede einzelne Person um mich herum ganz genau zu kennen. Ich hatte mich bemüht all diese kleinen Bemerkungen aufzuschnappen und auch ja keine Details zu vergessen. Sie setzte sich anders hin und erlaubte mir zu fragen was ich wollte und sie würde versuchen zu antworten. Ich wusste gar nicht genau, was ich wissen wollte, ich wollte alles wissen, sie aber auch nicht mit Fragen bombardieren. Was geht in ihrem Kopf so vor? Wussten ihre Eltern dass sie hier schlief? Liest sie gerne? Und welche Bücher liest sie, wenn sie gerne liest? Was bringt sie zum lachen? Welche Themen sollte man vermeiden? Was ist ihre Lieblingsfarbe? Ich stieß etwas Luft aus, weil ich wusste all diese Fragen nicht auf einmal stellen zu können. „hm.. Was ist dein Lieblingsort?“

Irgendwie fühlte ich mich unter seinem Blick seltsam beobachtet. Es war nichts unangenehmes wie die ständige Überwachung im Kapitol, es kam mir einfach nur irgendwoher vertraut und trotzdem ungewohnt vor. Kaum bestand da auf irgendeine Weise ein Augenkontakt verschwand er gleich wieder. Ob es an mir lag, oder an Aran konnte ich nicht genau sagen.
Irgendwann gab ich dann doch auf und sah aus dem Fenster. Für eine winzige Sekunde huschte einen grauen Schleier durch mein Blickfeld. Schmerzhaft zuckte ich kaum merklich zusammen und rieb kurz mit einer Hand über meine linke Gesichtshälfte. So gut hatten die Leute im Kapitol diese Verletzung dann doch nicht hinbekommen. Aber immerhin waren die drei Narben der Eisbärentatze kaum noch zu sehen und mein Augen hatte fast die gleiche Farbe angenommen wie früher. Aber auch nur fast.
Ich biss mir auf die Lippe und zwang mich, an etwas anderes zu denken. Die Stimme des Jungen half mir dabei, was ein wenig erleichternd für mich war.
Er frage nach meinem Lieblingsort. Eine Weile schwieg ich noch und dachte nach.
"Ein Ort, den ich mag und der eine schöne Bedetung für mich hat. Ich mag den Wald. Mochte, ob das jetzt noch so ist weiß ich nicht genau", sagte ich, bis mir Bilder von den gestorbenen Tributen am Füllhorn durch den Kopf geisterten. Tief holte ich einmal Luft, ehe ich weitersprach: "Die Bibliothek." Ich lächelte und drehte mich zu Aran um. Ich war genauso oft bei den riesigen Bücherregalen wie im Trainingscenter, bevor ich auserwählt wurde. Aber ob die alten Bücher noch in dem größeren Gebäude standen und nicht längst vom Kapitol eingenommen wurden wusste ich nicht.
Ich zuckte kurz mit den Schultern, als sei es mir egal und sah wieder aus dem Fenster.

Annyca sah aus dem Fenster und für einen Moment folgte ich ihrem Blick, obgleich ich wusste, dass dort nichts sehenswertes sein konnte. Wem konnte man etwas vormachen? Welches Bild hatte man vor Augen, wenn man es wagte von dem ärmlichen Viertel des zweiten Distriktes zu reden? Mit großer Sicherheit keine sich mit dem Wind eingehakt schunkelnden Bäume. Nein, wohl eher nicht. Nach einiger Zeit wandte ich den Blick wieder ab und Annyca fuhr sich gerade mit der Hand durch ihr Gesicht. Sie schien sich mit einem unangenehmen Gedanken zu befassen während sie sich auf die Lippe biss. Doch schon im nächsten Moment schien sie wieder lockerer zu werden und auch ihre Aufmerksamkeit galt wieder dem Gespräch. Ihre Antwort war recht überraschend für mich. Der Wald? Etwas beschämt sah ich zu Boden, ich hatte in Distrikt 2 noch nie einen richtigen Wald entdeckt. Aber ich kam auch nicht allzu viel herum. Annyca änderte ihre Meinung. Die Bibliothek, eine sehr schöne Antwort wie ich fand. „Dann liest du also gern‘?“, ein Lächeln lag auf meinen Lippen. Es schien als würde die Elektronik allmählich doch wieder an Bedeutung verlieren. Mein Blick wanderte unmittelbar zu Annycas und meinem Buch, die auf dem schmalen Regal lagen. Die einzigen beiden auf diesem einen Regal.

Ich lächelte ein wenig gedankenversunken.
Irgendwie war es doch nicht so schlecht etwas vertrauter mit Leuten zu sprechen, auch wenn ich mir vorgenommen hatte nach meiner Rückkehr aus dem Kapitol meine Gedanken für mich zu behalten.
"Naja, ja. Kann man so sagen. Allerdings hab ich schon seit einer gefühlten Ewigkeit kein Buch mehr gelesen", gab ich schließlich nach einer kurzen Pause zurück.
Ich lehnte mich ein wenig entspannter nach hinten und stützte mich mit meinen Armen ab. Der Gedanke ein wenig Zeit damit zu verbringen sich mit Aran zu unterhalten war gar nicht so schlecht, wie ich nach ein paar weiteren Augenblicken feststellte.
Und ewig konnte ich in meiner eigenen Welt auch nicht eingeschlossen bleiben.
"Was ist mit dir?", fragte ich dann also. "Du magst Bücher wirklich gerne, oder?" Ich behielt das schwache Lächeln auf meinen Lippen und wollte es in nächster Zeit nicht so schnell wieder loswerden.

Bei ihrer Antwort sah ich sie etwas bestürzt an. „Das ist schade. Bücher sind etwas so tolles.“ Keine Geräte, die plötzlich kaputt gehen und damit auch alle Geschichten in ihnen. Bücher laufen nicht weg. Man kann sie warten lassen, solange man will.
Mit einem leichten Lächeln stellte sie die Gegenfrage.
„Sehr gut erkannt“, antwortete ich mit einem breiten Grinsen. Aber da ich nicht wollte, dass sie sich veralbert fühlt setzte ich wieder ein freundliches, aber seriöses Gesicht auf. „Ich liebe Bücher. Sie sind eine tolle Möglichkeit dem Alltag zu entfliehen. Sie verschwinden nicht einfach und in einigen Fällen lernt man auch noch dabei. Es gibt Bücher die dazu bewegen selbst nachzudenken, wie man gehandelt hätte, oder ob das Ende so richtig sei. Dabei muss ich aber auch zugeben, dass sie einsam machen. Früher oder später muss man das Buch weglegen und sich dem Alltag und Freundschaften widmen, sonst..“ Mir fiel nicht sofort ein wie ich den Satz weiterführen sollte und zuckte mit den Schultern. „Ich schätze man wird vergessen.“, sagte ich nach einigem Zögern. Für einen Moment versank ich in Gedanken. Stimmte das so überhaupt? Immerhin macht uns die ganze Elektronik auch ziemlich einsam, wenn sie alle nur noch auf ihre Bildschirme starren. Ich ließ den Gedanken fallen, es war der falsche Zeitpunkt um sich damit zu beschäftigen.