Es geht immer Schlimmer ...

"Ja, alles in Ordnung", wischte ich Peshs Besorgnis mit einer Handbewegung beiseite.

"Es scheint mir mehr als das", überlegte ich laut. "Ich weiß nicht genau ... Sie wirkt ... so weit weg!", versuchte ich das zu erklären, was ich dachte wenn ich in Kimis Augen sah.
"Keine Ahnung was wir erzählen sollen. Vielleicht sollten wir ihnen sagen, dass sie nicht in die ..." Ich wollte es auf offener Straße nicht aussprechen. "Das wir nicht mehr sagen könnten und sie bis dahin das tun sollen, was wir ihnen sagen?", schlug ich vor.
Sie würden das Training ernst nehmen - was sehr wichtig war. Außerdem war es eine gute Tarnung. Sie würden genug essen und schlafen. Und sie hätten keine Angst mehr. "Am Tag des Abflugs sage ich ihnen dann an wen sie sich halten sollen... Und bis dahin können wir nur hoffen, dass sie mitspielen."
Kein gut durchdachter Plan. Aber die Zeit drängte. Pesh und ich waren bereits auf dem Weg zum Trainingscenter - ohne das wir ihn bewusst eingeschlagen hätten. "Sie frühsteücken gerade und danach ist Training ... sie müssen den Tag nutzen. Ich habe beschlossen, dass sie hart trainieren müssen. Zu viele Eventualitäten ..."
Wieder rang ich nach Luft.
"Du musst auch trainieren.", sagte ich dann. "Keine Ahnung wann aber wir müssen Zeit dafür finden!"
Ich hatte nicht vor meine Frau schutzlos mit auf die Flucht zu nehmen. Allerdings fiel mir das etwas spät ein ...

Pesh:

"Haben wir das nicht schon oft versucht?" Wir hatten ihnen doch schon mehrfach erklärt, dass sie auf uns hören und nichts Dummes anstellen sollten. Und dennoch schienen sie uns nicht zu vertrauen.
"Vielleicht sollten wir ihnen einfach die Wahrheit sagen. Einfach, aber ohne konkrett zu werden. Ich meine, der halbe Untergrund weiß schon davon und Kimi und Rana sind sicher klug genug um es für sich zu behalten." Ihnen wieder nur einen winzigen Teil an zu vertrauen, wäre vermutlich auch nicht sehr sinnvoll.

Fin rang wieder nach Luft. Irgendwas stimmte sichtlich nicht mit ihm, auch wenn er es nicht sagen wollte.
"Du solltest auch auf deine Gesundheit achten", meinte ich sanft. Er müsste schließlich auch fit sein, sobald es los ginge. Wer wusste, was uns erwartete.

"Okay, dafür finden wir auch noch Zeit", meinte ich optimistisch, auch wenn ich mir nicht so sicher war. Wir hatten einiges noch zu tun. Aber wenn Fin mir ein paar Übungen zeigte, könnte ich diese wiederholen, während er mit Kimi und Rana trainierte. Irgendwas würde sich schon ergeben.

Finley:

Ich lachte, wobei sich der Schmerz gleich wieder deutlicher zeigte. "Ich bin zwar schon vierzig aber immernoch bester Gesundheit", flachste ich.

"Wir können ihnen nicht alles sagen", fand ich. "Wenn irgendwer irgendwas rausfindet ist es besser sie wissen so wenig wie möglich." Andererseits hatte Pesh vielleicht Recht. Immerhin hätten so die Kinder wirklich Grund zu trainieren und da zu bleiben. Doch die Angst, die einen normalerweise umgibt, die wäre verschwunden. Anstattdessen würde ihre Augen vor Vorfreude leuchten und sie möglicherweise verraten.

"Wir improvisieren einfach", entschied ich. "So wenig wie möglich und so viel wie nötig?"
Wir waren nur noch ein paar Seitenstraßen vom Trainingscenter entfernt. "Und erwähne bitte nicht, dass es meine Idee war.", bat ich. "Kimi ist nicht gut auf mich zu sprechen, deshalb schätze ich Rana auch nicht. Sie sollen nicht denken, ich würde das nur behaupten um ihnen zu schaden oder so."
Theoretisch ein absurder Gedanke, praktisch aber das was ich dachte, dass unsere Kinder derzeit von mir hielten.

Pesh:

Ich lachte ebenfalls, erwiderte aber nichts.

"Stimmt auch wieder", stimmte ich ihm nachdenklich zu. Aber wenn jemand etwas von dem Plan erfuhr, der nichts davon wissen sollte, dann wäre es vermutlich sowieso zu spät, egal was Kimi und Rana wüssten. Sie würden die beiden in die Arena schicken und ...
"Vielleicht ist es schon besser, wenn wir ihnen zumindest genug sagen. Wenn etwas davon durchsickert, würde man zuerst uns aus dem Weg räumen und unsere Kinder vermutlich einfach weiter als Tribute im Trainingscenter lassen." Diese Eventualität bezog sich darauf, dass womöglich wirklich jemand etwas vor dem Abflug von dem Plan erfuhr. "In dem Fall wüssten die beiden dann, dass etwas nicht stimmt und könnten selbst noch versuchen ihren Plan durch zu setzen."

Ich hielt Fin zurück und küsste ihn. "Kimi liebt dich, das weißt du. Genau so wie Rana und ich. Sie ist nur etwas neben der Spur, weil sie Angst vor der Arena hat. Aber wenn du willst, können wir es unerwähnt lassen, wessen Idee es war."

Finley:

"Und genau diese Angst ist verschwunden wenn sie wissen, dass ihnen nichts passiert. Man würde es ihnen ansehen", gab ich zu bedenken nachdem ich Peshs Kuss erwiedert hatte. Ich liebte sie so sehr...

"Okay", seufzte ich, während wir zum Dienstboteneingang des Trainingscenters liefen. "Wer redet? Du oder ich?"
Ich war total abgehetzt, verlor langsam die nerven. Auch wenn Peshs Zuwendung mich etwas beruhigt hatte. Sie machte mich nach all den Jahren noch süchtig und hatte solch eine beruhigende Wirkung auf mich. "Komm her", raunte ich, zog sie an mich und küsste sie noch einmal. Ich würde vorne rum laufen müssen, sie durch den Hintereingang. Ungern ließ ich sie alleine, sah jedoch ein, dass es nicht anders ging.

Pesh:

Ich seufzte. Vielleicht sollten wir wirklich improvisieren. Es war einfach kompliziert und so viele Eventualitäten zu bedenken.

"Ich werd mit ihnen reden, wenn du willst", schlug ich vor. Auch wenn ich sicher war, dass unsere Kinder auch auf ihn hören würden. In ein paar Tagen wäre diese Versteckspiel vor unseren Kindern endlich vorbei, auch wenn das Komplizierte dann erst bevor stehen würde. Die Flucht durch den halben Kontinent zu einem angeblich zerstörten Distrikt. Aber ich glaubte Fin, wenn er sagte, Distrikt 13 würde noch existieren.

Ich erwiderte Fins Kuss und fühlte mich mit einem Schlag wieder sicherer. Wir würden das schon schaffen.
"Treffen wir uns gleich bei ihnen? Oder erst nach ihrem Training?", wollte ich noch wissen, wandte mich aber schon ab um durch den Dienstboteneingang hinein zu gelangen.

Finley:

"Jetzt gleich!", beschloss ich und ging nach oben.

Doch auf halber Strecke wurde ich aufgehalten. "Mr. Weston?"
Die Stimme kannte ich. Tief Luft holen. Einmal. Zweimal. Scheiße. Langsam drehte ich mich um. "Mr. Swell", lächelte ich.
"Wie ich höre wird dieses Jahr die komplette Familie Weston an den Spielen beteiligt sein", grinste er hämisch. Am liebsten wäre ich ihm an die Gurgel. Anstatt dessen zog ich eine Augenbraue hoch.
"Ach ja, hört man das?", hakte ich nach. Er nickte.
"Ich wusste nicht, dass meine Frau ebenfalls eine Rolle spielen wird.", gab ich mit fester Stimme zurück und sein Lächeln verzog sich zu einer schmalen Linie.
"Ich beobachte Sie", drohte er und kam mir so nahe, dass unsere Nasenspitzen sich fast berührten, und zeigte mit dem Finger auf mich. "Ein kleiner Fehltritt ..."
Doch ich schnitt ihm das Wort ab. "Viel Spaß dabei. Ich bin auf dem Weg zu den Tributen. Wollen Sie mitkommen?"
Ohne eine Antwort abzuwarten drehte ich mich um und ging davon.

Vor der Zimmertür der Kinder blieb ich stehen. Roses vertrauter Anblick war tröstend. Ist jemand hinter mir? fragte ich - obwohl ich niemanden gehört hatte. Sie sah mich verdutzt an, beugte den Oberkörper allerdings zur Seite und sah den langen Flur entlang. Dann blickte sie wieder mich an und schüttelte den Kopf. Ich stieß die Luft aus.
"Danke Rose, ich erklär's dir später. Verdoppelt die Schicht.", flüsterte ich und sie nickte mit ernster Miene, ließ mich dann vorbei und ich trat ein. Pesh war schon da - natürlich.

Kimi:

Ich bemühte mich beim Frühstück langsam zu essen und darauf zu achten, dass es nichts von dem ungesunden Zeug war, das es hier im Übermaß gab, sondern irgendwelche gesunden Sachen, die wichtige Nährstoffe lieferten.
"Fin hat vorhin gemeint, wir sollten heute beim Training über unsere Grenzen gehen", ließ ich Rana wissen. "Aber ich weiß nicht, ob das wirklich ein sinnvoller Rat war oder ob er uns damit nicht schon wieder von einer Flucht abhalten will", fügte ich noch hinzu. Das traute ich ihm wirklich zu.

Irgendwann ging wieder die Tür auf, aber anstatt Fin kam nun Mama herein.
"Guten Morgen, was gibt's?", grüßte ich sie verwundert.
"Guten Morgen." Pesh lächelte uns an, aber es wirkte nicht ganz ehrlich und in ihren Augen lag noch immer ein Ausdruck, den ich nicht deuten konnte. Sorge? Trauer? Oder doch etwas anderes? "Wie geht es euch beiden?", wollte Mama wissen und setzte sich auf einen Stuhl uns gegenüber an den Tisch.
Ich zuckte mit den Schultern. Was sollte diese Frage eigentlich immer? Wie sollte es uns schon gehen, als Tribute kurz vor den Hungerspielen.

Bevor wir jedoch antworten konnten, öffnete sich die Tür noch einmal und auch Fin kam herein.
Oh. Die hatten hoffentlich nicht schon wieder erfahren, dass wir vor hatten zu fliehen. Aber selbst wenn, was wollten sie dagegen tun? Sie würden uns wohl kaum verpfeifen oder hier irgendwo anketten, bis die Spiele los gingen.

Finley:

Wortlos kam ich zur Tür herein und setzte mich mit an den Frühstückstisch. Blöder Swell.
Fragend sah ich Pesh an und die schüttelte kaum merklich den Kopf. Okay, sie hatten noch nicht geredet. Dann würde ich mal das tun, was ich seit ein paar Tagen am Besten zu können schien: ich machte mich unbeliebt.

"Ihr wollte immernoch abhauen, oder?", fragte ich deshalb frei heraus auch auf die Gefahr hin, dass ich falsch lag. Allerdings ging ich davon aus, dass ich richtig lag.
Als nächstes würde ich ihnen eine Moralpredigt halten, wieso das nicht ging. Und anschließend wäre Pesh dran. Dann sammelte sie wenigstens nur Pluspunkte. Wenigstens einer von uns.

Doch wir wurden unterbrochen. Pork kam herein. Wir tauschen gegen Friedenswächter., deutete er und ich nickte nur knapp und zog fragend eine Augenbraue hoch. Das wäre wohl die bessere Idee. Immerhin gab es selbst in diesen Reihen Menschen die uns unterstützten. Und auch wenn ich den Avox mehr traute, so wären Friedenswächter unauffälliger.
Pork nickte und verschwand.

Kimi:

"Vertrau uns doch mal", erwiderte ich einfach, als Fin uns schon wieder fragte, ob wir noch vor hatten zu fliehen. Ob wir das nun vor hatten oder nicht, würde ich ihm nicht verraten.
Trotzig sah ich ihn an, als plötzlich wieder die Tür aufging und ein Avox von den beiden, die immer hier herum gingen, kam herein.

Verwundert sah ich zwischen ihm und Fin hin und her.
"Wer tauscht was mit Friedenswächtern?", stieß ich aus, kaum dass sich die Tür wieder hinter dem Avox geschlossen hatte. Mama hatte sieben Jahre lang nur mit den Händen mit mir geredet, daher konnte ich zumindest ein paar der Zeichen noch verstehen.
Und plötzlich schoss es mir, was das bedeutete. "Ihr lasst uns beschatten?" Entgeistert sah ich Mama und Fin an. Mit halb offenem Mund schüttelte ich den Kopf. Ich hatte ihnen viel zugetraut, aber das sie das machen würden. Uns - ihre eigenen Kinder - überwachen zu lassen, als wären wir Verbrecher, das hatte ich nicht von ihnen erwartet.
"Und da glaubt ihr, wir würden euch noch jemals vertrauen?" Jetzt war ich endgültig sauer auf die beiden. Wie konnten sie uns so etwas antun? Damit wir ja in die Arena gingen und sie keine Probleme bekommen würden. "Ihr seid echt das Letzte", schrie ich sie an. Wütend sprang ich auf und lief zur Tür. Wie sollten wir fliehen, wenn Friedenswächter vor der Tür stehen würden um uns im Auge zu behalten?

Finley:

Ich wusste, dass Kimi nicht weg konnte. Und da Pesh schwieg beschloss ich, die Initiative zu ergreifen.

"Erstens lügt ihr uns an", fing ich an. "Und zweitens habt ihr keine Ahnung. Setz' dich hin", forderte ich von meiner Tochter. Inzwischen war ich aufgestanden und sprach mit einer Stimme, die lauter war als sonst und gröber klang.

Kimi:

"Wann sollen wir dich angelogen haben?" Ich hatte nicht bestritten, dass wir versuchen würden zu fliehen. Ich hatte zwar auch nicht zugestimmt, aber das war keine Lüge.
"Oh, doch die haben wir und es wird immer deutlicher", schrie ich zurück, obwohl ich insgeheim mich fast schon vor der groben Stimme von Fin fürchtete. Dennoch, ich war zu wütend um jetzt klein bei zu geben. Wie konnten sie uns so verraten? "Ihr belügt uns doch die ganze Zeit. Wollt uns ruhig halten, damit wir ja brav in die Arena gehen. Aber ich sag dir eins Fin, das werden wir nicht tun. Niemals. Ich werde nicht an einem Spiel teilnehmen, bei dem Rana und ich uns womöglich gegenseitig töten müssten." Ich bemühte mich gar nicht leise zu sein. Dass die Friedenswächter womöglich schon vor der Tür standen, überlegte ich nicht einmal.
"Und ja, Rana und ich werden fliehen. Da könnt ihr nichts dagegen tun."

Finley:

"Kimi Weston, ich werde es nicht noch einmal sagen: Setz' dich hin! - Und sei still."
Es glich fast einem Befehl und selbst ich erkannte meine eigene Stimme nicht wieder. Ich hatte es gar nicht bemerkt, doch ich war ein Stück auf Kimi zugegangen. Noch nie hatte ich eines meiner Kinder so behandelt. In dreizehn Jahren nicht. Doch anscheindend hatte Pesh das Ganze besser im Griff als ich selbst. Daran müsste ich arbeiten. Aber nicht jetzt.

In Gedanken flehte ich Kimi an dem zu folgen was ich gefordert hatte. Es fiel mir schwer an mir zu halten - obwohl oder gerade weil es um die Sicherheit unserer Kinder ging. Sie hatten wirklich keine Ahnung, doch daran waren wir, Pesh und ich, selbst schuld. Wobei Pesh den Kindern von Anfang an eigentlich die Wahrheit sagen wollte. Wahrscheinlich war ich wirklich der alleinige Schuldige.

Kimi:

"Nein." Eigentlich wollte ich ihm das Wort entgegen schmettern, aber es war nicht viel mehr als ein kaum hörbares Hauchen. So hatte ich mich ihm noch nie widersetzt. Aber bisher hatte es auch noch nie einen Grund dafür gegeben. Bisher hatte ich nicht gedacht, dass er uns von Friedenswächtern überwachen lassen würde, nur weil er Angst hatte, wir könnten nicht nach seiner Pfeife tanzen.

Ich ballte die Hände zu Fäusten und verschränkte die Arme vor der Brust. Beides eigentlich nur Aktionen, damit niemand sah, dass meine Hände zu zittern begannen. Dieses mal würde ich ihn nicht gewinnen lassen. Nicht nachedem er und Pesh - ich vermutete, dass sie auch etwas damit zu tun hatte - uns so hintergangen.

"Kimi, setz dich. Wir wollten es euch sowieso schon erklären", setzte Mama leise aber bestimmt an, aber ich warf ihr nur einen trotzigen Blick zu. Da gab es nichts mehr zu erklären.

Finley:

"Dann eben auf die unbequeme Tour", entschied ich, lief zu Kimi, packte sie unsanft am Arm und setzte sie - obwohl sie sich wehrte - auf den Stuhl. "Sitzen bleiben, Klappe halten!"

Ich atmete tief durch und war alles andere als stolz auf mich.

"Okay ... fangen wir bei den Friedenswächern an ... sie sind hier um euch zu beschützen."
Hilfesuchend blickte ich zu Pesh, besann mich aber. "Und jetzt hört ihr zu ohne dazwischen zu quatschen. Kein Wort will ich hören."

Ich holte tief Luft, stieß diese dann aber wieder aus und blickte zu Pesh.
"Inzwischen bin ich mir übrigens ziemlich sicher was Swell angeht, er hat mich auf dem Gang angehalten - der Grund, weshalb wir tauschen." Pesh wusste was das hieß. Die Kinder nicht. Noch nicht.

"Okay .... ähm ... Wo fangen wir an?" Meine Stimme wurde etwas ruhiger.
"Die Kurzfassung wäre die, dass ihr so gut trainiert wie ihr könnt, alles über euch ergehen lasst, in die Arena fliegt und euch dort zehn Sekunden vor dem Start der Spiele von ..." einer Avox "... jemanden über etliche Umwege ausschleußen lasst. Ihr verschwindet in den Untergrund, flüchtet über die Kanalisation und wir starten zu viert ein neues Leben in Distrikt 13."
So viel dazu, dass man den Kindern nicht alles erzählen sollte. Hat ja super geklappt. Verzweifelt blickte ich zu Pesh.

Kimi:

"Lass los", schrie ich und versuchte mich aus Fins Griff zu befreien. Aber klar dafür hatte er mir noch keinen Trick gezeigt. Ich stemmte mich dagegen, dennoch zog er mich mit und verfrachtete mich dann auf einen Stuhl.
Wütend funkelte ich ihn an. Arsch. Ich zog meine Beine auf den Stuhl und legte mein Kinn auf die Knie.

"Klar sie sollen uns beschützen", warf ich sarkastisch ein, obwohl - oder vielleicht gerade weil - Fin gefordert hatte, ich sollte meine Klappe halten. "Damit uns ja nichts zustößt bevor sie uns in die Arena stecken, stimmt's?"

Nur mit halben Ohr hörte ich Fin zu, wie er eine Erklärung abgab. "Und das soll ich dir jetzt glauben? Dass ihr ganz kurz vor der Arena heraus holen wollt, wo wir keine Chance mehr haben uns noch anders dagegen zu wehren, falls es nicht so ist. Wieso sollten wir das jetzt glauben?"


Pesh:

Mit einer Mischung aus Trauer und Wut beobachtete ich meine Tochter. Warum musste sie diesen Pupertären Anfall gerade jetzt haben, wo wir ihn überhauppt nicht gebrauchen konnten?

Ich stellte mich neben Fin und sah ebenfalls streng auf Kimi hinab.
"Du kannst es ihm auch nicht glauben, wenn du willst. Aber abhauen wird nicht mehr gehen. Die Friedenswächter werden euch davon abhalten. Also entweder ihr glaubt uns -" Auch wenn es nur Fin erzählt hatte. "Oder ihr haltet uns für die mießesten Eltern der Welt, die alles dafür tun, dass ihre Kinder in die Arena kommen. Ist mir egal. Es kommt auf das selbe hinaus. Ihr werdet hier ständig überwacht, bis ihr zu der Arena fliegt. Also etwa du glaubst daran, dass wir euren Tod wollen und lebst weiter in der Furcht, dass ihr vermutlich sterben werden. Oder ihr vertraut uns jetzt einmal und dann können wir endlich daran arbeiten, dass alles glatt gehen wird."

Rana:

Ich kam mir vor wie im falschen Film. Wer war der Mann, der in Dads Körper steckte? Und seit wann war Kimi so störrisch? Und überhaupt: Was für eine Idee hatten Mum und Dad da?

Allmählich bekam ich Kopfschmerzen. Um all den Stress zu kompensieren griff ich nach ein paar Waffeln und begann zu essen. Kurz vor dem Startschuss retten? Warum nicht schon vorher? Kanalisation? Distrikt 13? Ich verschluckte mich fast an der Waffel.

"Distrikt 13?", fragte ich laut.
Da hatten wir sie wohl erwischt. Distrikt 13 gab es nicht mehr, das wusste jeder.

Pesh:

Ich sah überrascht zu Rana. Für einen Moment hatte ich fast vergessen, dass er auch noch da war. Das war vielleicht die Lösung, wenn wir ihn überzeugen konnten, würde Kimi sich vielleicht auch beruhigen. Alleine würde sie wohl kaum einen Fluchtversuch machen. Schon allein weil sie damit ihrem Bruder schaden würde. Wobei es äußerst schwiergig sein würde, Rana davon zu überzeugen, da er meistens seiner großen Schwester nach eiferte.

Ich seufzte erschöpft.
"Ja, Distrikt 13. Das Kapitol verheimlicht seine Existenz, weil es keine Kontrolle über den Distrikt hat. Es ist der einzige Ort wo wir nachher sicher sein werden." Ich verschwieg, wie es angeblich in Distrikt 13 zugehen und aussehen sollte. Sonst würden die beiden sich vermutlich gleich wieder dagegen auflehnen.

"Rana, Kimi, ihr müsst uns vertrauen. Ihr seid für uns das wichtigste auf diesem Planeten, ihr glaubt doch nicht, dass wir euch einfach so in den Tod gehen lassen oder gar schicken." Ich sah die beiden offen an. Es war nun die Wahrheit und sonst nichts.

Rana:

Ich warf Kimi, die noch immer bockig neben mir saß, einen Blick zu. Was sie wohl von der ganzen Sache hielt?
Meine Eltern hielt ich inzwischen für völlig verrückt. Wurden die Menschen nicht erst seltsam, wenn sie noch älter waren als unsere Eltern?

Allerdings hatte Mum mit ihren letzten Worte das ausgesprochen, was ich mir die ganze Zeit gedacht hatte. Dad wiederum hatte eben komplett gegenteilig gehandelt.

"Also sperrt ihr uns doch ein", fasst ich Mums Tirade über die Friedenswächter von vor ein paar Augenblicken knapp zusammen und sah sie fragend an.

Pesh:

Warum hörten diese Kinder eigentlich nur das, was sie hören wollten?
Ich warf Fin einen Blick zu, aber aus seinen Worten von vorhin konnte ich schließen, dass es wirklich nicht dafür war um Kimi und Rana zu überwachen, sondern wegen Swell.

"Nein, wie schon erwähnt, wir vermuten, dass mein ehemaliger Boss hinter der Sache steckt - gut wir sind uns mittlerweile ziemlich sicher - und die Friedenswächter dienen euch zum Schutz." Ich sah Rana und dann Kimi an, bevor ich noch hinzu fügte. "Für denn Fall aber, dass ihr noch immer vor habt zu fliehen, ja dann sperren wir euch ein. Aber nur zu eurem eigenen Schutz."

Finley:

Ich war müde. Unendlich müde. Und meine Rippen schmerzten. Pesh hatte die Situation gut im Griff. Ich war richtig stolz auf sie.

Erschöpft lief ich die paar Meter zur Couch und setzte mich. Und das erste Mal fühlte ich mich alt. Richtig alt. Vor fünf Tagen war noch alles in Ordnung gewesen und nun standen wir - augenscheinlich - vor dem Trümmerhaufen dessen, was einmal eine perfekte Familie gewesen war. Mit Ecken und Kanten, aber liebevoll, voller Respekt und Aufrichtigkeit und voll so viel Liebe, wie ich sie nie zu erfahren geglaubt hatte.
Und jetzt saßen wir hier, schrien uns an, waren grob zu einander, misstrauten uns. Und das alles nur weil ... ? Richtig. Swell. Sobald ich Frau und Kinder in Sicherheit wusste wären Swells Tage gezählt, dessen war ich mir sicher!
Wobei ich meiner Familie gegenüber diesbezüglich wohl nichts erwähnen sollte. Wer wollte schon einen Mörder als Mann oder Vater haben? Oder im Spiegel einen erblicken?
Ich war eigentlich nicht sehr scharf darauf, aber solange Swell lebte hätten wir vermutlich keine Ruhe. Doch dann wären da noch etliche andere Spielmacher und der Präsident ... Die Liste wäre endlos und die Kettenreaktion nicht zu überblicken.
Doch mir fiele schon etwas ein ...

Kimi:

Sauer starrte ich auf den Tisch vor mir. Ich war noch so wütend auf Fin und Pesh. In gewisser Weise wollte ich ihnen vielleicht gar nicht glauben, damit sie weiterhin in das Feindbild passten. Außerdem klang das alles ziemlich weit her geholt. Vermutlich wollten sie uns damit wirklich nur ruhig stellen.

Kurz warf ich Rana einen Blick zu. Hatten unsere Eltern ihn überzeugt? Ich hoffte nicht. Wir gehörten schließlich zusammen.

Da weder Mama noch Fin über eine geraume Zeit nichts sagten, hob ich schließlich doch wieder den Kopf.
"War's das jetzt?", fragte ich in bitterem Ton und stand auf. "Wir müssen zum Training oder lassen uns da unseren tollen neuen Aufpasser auch nicht hin gehen?"
Ich wollte hier einfach hinaus. Mir im Trainingscenter einen Platz suchen, wo ich laufen konnte und mich richtig auspowern um das Gespräch hier zu vergessen. Und dann eventuell doch noch etwas Messer werfen um ein paar Strategien zu lernen, wenn damit die Idee von der Flucht wirklich nicht mehr möglich sein sollte. Wobei sich das erst noch zeigen müsste.

Finley:

"Nein, geht nur!", antwortete ich Kimi ebenso unfreundlich wie sie Pesh angeraunt hatte. "Ihr werdet begleitet - und Kimi, du solltest dringend daran arbeiten wie du mit deiner Mutter redest!"
Wie auf Kommando öffnete sich die Tür und zwei der Friedenswächter die mit den Avox den Platz getauscht hatten traten ein; natürlich hatten sie gelauscht. Genervt verdrehte ich die Augen, sagte jedoch nichts. Das erwartete Knallen der Tür blieb aus, einer der Wächter schloss sie hinter unseren finster dreinblickenden Kindern. 
"Na das hat ja super geklappt", meinte ich sarkastisch, aber freundlich, und lächelte Pesh müde an. Zum Schimpfen war ich aufgestanden und hasste mich in dem Moment selbst für die Worte die ich gesagt und den Tonfall den ich angeschnitten hatte. Der unruhige Schlaf der Nacht und die schmerzenden Rippen taten ihr Übriges; somit war meine Laune auf dem absoluten Tiefpunkt. Eine ganze Weile stand ich schweigend da bis mein Blick auf den reichlich gedeckten Tisch fiel. "Hast Du schon gefrühstückt?"
Ich bildete mir ein Pesh hätte die letzten Tage abgenommen. Sie sah müde aus und unter ihren Augen lagen leichte Schatten. Schatten, die ich schon etliche Jahre nicht mehr gesehen hatte. 
Ich nickte in Richtung Tisch und bat Pesh somit Platz zu nehmen. Ich wollte nicht in die Öffentlichkeit. Und schon gar nicht wollte ich, das Pesh ohne mich ging...

Rana:
"Meinst du, sie sagen die Wahrheit? ... Gibt es 13 wirklich? ... Fliehen wir heute trotzdem? ... Bewachen uns die Friedenswächter jetzt wirklich ständig? ... Wollen wir das trainieren was Dad gesagt hat oder was anderes? ... Bist du wirklich so sauer auf Mum und Dad? ..."
Ich löcherte Kimi flüsternd mit haufenweise Fragen während Kimi stur gerade aus schaute und eiligen Schrittes in Richtung Trainingscenter lief. Ich hatte Probleme Schritt zu halten. 
In wenigen Minuten würde das Training anfangen und wir waren, von Friedenswächtern flankiert, auf dem Weg dahin. Kein Weg zu entkommen. 
Ich blendete die Wut, die Verunsicherung und die Hoffnung aus und konzentrierte mich voll auf meine Schwester. 
"Kimi", hakte ich wieder nach - kaum das ich überhaupt still gewesen war. "Ich habe dich was gefragt!"

Kimi:

"Wieso? Wenn es nach euch geht, sterben wir doch sowieso", entgegnete ich Fin barsch, als er meinte, ich sollte aufpassen wie ich mit meiner Mutter sprach. Noch immer glaubte ich ihnen nicht, dass sie wirklich vor hatten uns zu retten. Viel eher sah ich es als ihren letzten, schwachen Versuch an uns von einer Flucht ab zu halten, bis es zu spät wäre.

"Hm", meinte ich und reckte mein Kinn in die Luft, als die Friedenswächter - unsere scheinbare Eskorte für die nächsten Tage - die Tür öffneten. Ohne noch einmal auf unsere Eltern zu achten, stapfte ich hinaus auf den Gang.

Rana ignorierte ich zunächst auch, jedoch nciht absichtlich sondern einfach weil ich noch zu sauer war.
Erst als er noch einmal meinen Namen sagte und meinte, er hätte mich etwas gefragt, schüttelte ich leicht verwirrt den Kopf und sah ihn dann an.
Ich versuchte ihn anzulächeln, doch der Versuch scheiterte und es wurde nur eine Grimasse, weswegen ich es schnell auch aufgab und mich stattdessen auf seine Fragen konzentrierte.

"Nein ich glaub ihnen nicht. Wenn das ihr Ernst wäre, warum haben sie es nicht schon viel früher erzählt? Warum würden sie dann meinen, dass wir dennoch trainieren sollten? Und warum sollten sie uns in dem Fall diese Aufpasser auf den Hals hetzen?" Mit einer abfälligen Geste wieß ich auf die Friedenswächter hinter uns.
"Ich weiß nicht, ob es Distrikt 13 gibt. Glaub ich eigentlich nicht. Aber im Prinzip kann es uns egal sein."
Die Frage ob wir heute Nacht dennoch abhauen wollten, überging ich. Unsere Babysitter lauschten sicher und die brauchten nicht wissen, dass ich es noch immer vor hatte. Aber das würde ich Rana in einer ruhigen Minute erklären.
"Ich hoffe nicht", meinte ich mit einem Seufzer. Die hatten doch sicher was besseres zu tun,als nur auf uns Acht zu geben oder? Wenn nicht, müssten wir uns etwas einfallen lassen um sie los zu werden.
"Ich werde sicher nicht mehr mit Fin trainieren. Für mich ist er nach der Aktion gestorben. Ende", meinte ich hart. Aber dass er uns jetzt auch noch Friedenswächter auf den Hals gehetzt hatte, würde ich ihm nicht verzeihen. Geschweige denn, dass er uns immer noch in die Arena schicken wollte. Vermutlich um seinen Stand, seine Farm und sonst was nicht zu gefährden.
Wütend ballte ich die Fäuste, als ich jedoch Ranas Blick bemerkte, lächelte ich ihm schwach zu. "Du kannst natürlich weiter mit ihm trainieren." Er verehrte schließlich fast seinen Vater und vermutlich änderte daran auch die ganze Situation nichts.
Eine zeit lang blieb ich stumm, bevor ich mich vor Rana stellte und seine Arme mit den Händen umklammerte, während ich ihm in die Augen blickte. "Bist du noch auf meiner Seite, kann ich auf deine Unterstützung bauen, damit wir es hier raus schaffen?"

Pesh:

Ich seufzte erschöpft und frustriert, kaum dass die Tür hinter unseren Kindern geschlossen war. Hatten wir sie zu lange im Dunkeln gelassen? Ihnen zu lang etwas vorgemacht, so dass sie ihr Vertrauen in uns verloren hatten? Hätten wir anders handeln können und es wäre besser gegangen? Was wenn sie uns nie mehr trauen würden und dadurch wir sie verlieren würden?
Ich merkte, dass Fin mich schwach anlächelte - ihn schien es genau so fertig zu machen - aber ich brachte nur ein schwaches Nicken zu stande.

Stumm setzte ich mich an den Tisch und starrte auf das Essen darauf. Es sah hübsch zugerichtet aus. In allen möglichen Farben, wie man es nur im Kapitol fand. Hier nahm man das mit dem Auge ist mit zu wörtlich.
Aber es hätten auch nur Schüsseln mit Blumen oder Erde sein können, denn ich hatte auf nichts davon Guster.
"Keinen Hunger", meinte ich und zwang mich, Fin schwach an zu lächeln. Ich machte mir zu viele Vorwürfe und Sorgen, als dass ich jetzt auch nur einen Bissen hinunter bekommen könnte. Eigentlich war sogar das Gegenteil der Fall und ich fühlte mich, als müsste ich mich demnächst übergeben.
"Und du?"