Es geht immer Schlimmer ...

Rana:

Ich wusste nicht, was ich glauben sollte - welcher Weg der richtige war. Bei Mum und Dad fühlte ich mich Zuhause, doch die letzten Tage haben sie sich nicht wie gute Eltern benommen. Vor allen Dingen Dad. Ich warf ihm einen Blick zu. Kimi klammerte sich noch immer an ihn.
Doch auch Kimi hatte Recht, fand ich. Was sie wohl jetzt für richtig hielt? ... Egal, ich würde ihr zustimmen. Ich würde das tun, was Kimi vorhatte. Sie in allem unterstützen. Nur so könnte ich sie beschützen.

Deshalb nickte ich Mum nur zu, angestrengt ihr nicht um den Hals zu fallen.
Allerdings wagte ich dann doch vorsichtig einen Vorstoß. "Ich kann Bogenschießen", warf ich in den Raum.

Pesh:

"Oh ... das ist toll", meinte ich etwas zögern, als Rana meinte, er könnte Bogenschießen. Ich warf Fin einen Blick zu. Mir behagte der Gedanke überhaupt nicht, dass sich mein kleiner Sohn wirklich darauf vorbereitete zu kämpfen. Mit dem Hintergedanken, dass er womöglich seine Fähigkeiten zum Töten verwenden müsste. Aber wir wollten sie ja in dem Glauben lassen, also war es doch gut?


Kimi:

Etwas unsicher machte ich mich von Fin los.
Ich wusste nicht, was ich jetzt denken sollte. Irgendwie fühlte ich mich, als hätten sie mich ausgetrickst. Aber ich war dennoch nicht mehr sicher. Natürlich wollte ich ihnen vertrauen und Mamas Argumente, es klang gruselig. Aber wir wollten uns doch eh nicht erwischen lassen.
Doch ich verschob die Gedanken vorerst nach hinten.
"Dann hilfst du uns morgen also beim Training?", wollte ich von Fin wissen.

Finley:

Ich lächelte Pesh kaum merklich zu. Training war gut. Egal wozu. Wir alle hatten eine anstrengede Flucht vor uns. In diesem Fall wäre mir sogar lieb gewesen, Pesh würde trainieren. Vielleicht würde ich ihr heute Abend ein paar Nahkampftechniken zeigen. Bei dem Gedanken musste ich dann wirklich grinsen - der Gedanke ließ einfach zu viel Luft für Mehrdeutigkeiten.

Mühsam wandelte ich das Lächeln in einen Satz um.
"Ja, ich werde morgen mit euch trainieren. - Und Rana, das ist wirklich sehr gut!", lobte ich ihn.
Ich traute dem so plötzlich herrschenden Frieden nicht, tat jedoch nichts was diesen Frieden gefährden konnte.
"Wenn ihr wollt rede ich mit den Spielmachern und frage, ob wir unter uns trainieren dürfen. Ich denke, das ist effektiver für uns alle als dieses Gruppentraining."
Fragend sah ich unsere Kinder an. Es war wichtig, dass sie wieder Vertrauen fassten. Doch der morgige Tag wäre, für den Fall das wir wirklich zu dritt trainierten, die Hölle für mich. Alerdings hatte Pesh morgen auch etliches zu erledigen. Eigentlich wollten wir zusammen so viel organisieren ...

Kimi:

"Und ich kann einen Gegner mit einem Messer k.o. hauen", fügte ich hinzu. Wobei mittlerweile blieb ja das Messer sogar schon teilweise stecken. Ob ich dass dan im wirklichen Kampf wollte, wäre eine andere Frage. Da würde es mir vermutlich reichen, wenn der Angreifer ko gehen würde, wir seine Sachen klauen und dann abhauen könnten. Ohne ihn um zu bringen.

Pesh:

Ich sah Fin bei seinem Vorschlag verwundert an. Er wollte mit den Spielemachern reden ob wir mit unseren Kindern allein trainieren könnten? Das würde sehr verdächtig klingen. Außerdem, wenn wir mit unserer Vermutung richtig lagen und wirklich Swell daran schuld war, dass nun Kimi und Rana gezogen worden waren, würde das Vorhaben vermutlich schon im Keim ersticken.
Andererseits vielleicht war es auch zu auffällig, dass Fin sich nicht so für unsere Kinder einsetzte. Aber in dem Fall sollte er vielleicht eher versuchen Sponsoren für sie zu bekommen.

Rana:

Dad lobte erst mich, dann Kimi. Er lachte sogar.
"Gegner ko hauen ist immer gut, allerdings kannst du dafür auch einen Stein nehmen", scherzte er und strich Kimi über den Kopf. Eine Geste, für die Kimi eigentlich schon zu alt war.

"Rana, box mich nochmal", forderte Dad mich auf. "Was? ... Nein ..." fing ich an. Doch Dad ließ nicht locker. Also holte ich aus und boxte ihn. Aber nur ganz leicht, ich wollte ihm nicht weh tun - und plötzlich lag ich auf dem Rücken und starrte an die Decke. Dad fuchtelte noch mit seinen Händen an meinem Kopf rum und erklärte irgend etwas, doch ich hörte nicht so genau zu. Dann streckte er mir seine Hand hin und half mir hoch.
"Da ist es auch völlig egal, wie groß oder schwer euer Gegenüber ist", setzte er seine Rede, deren Anfang ich verpasst habe, unbeirrt fort. Dann lächelte er mich an. "Ich zeig's dir nochmal", bot er mir an und sah Mum herausfordernd an. "Pesh? Wärst du so freundlich?", fragte er mit einem Lächeln.

Was war passiert? Auf einmal wirkte er so ... nett. Freundlich. Als wäre es normal mit seinen Kindern Kampftechniken zu üben. Das ganze ging ein paar Gang zu schnell für mich.

Pesh:

"Messer sind aber viel cooler als Steine", erwiderte Kimi in einem neckenden Tonfall und duckte sich dann unter Fins Hand weg, als er ihr über den Kopf streicheln wollte. Etwas was sie generell machte, da sie die Geste als zu kindisch betrachtete.

Fin forderte Rana auf, ihn noch einmal zu boxen und als er dem nach kam riss er ihn geschwind zu Boden. Kimi machte ein paar Schritte auf die beiden zu, als wollte sie ihren Bruder helfen oder gegen Fin verteidigen, blieb aber stehen, als ihr Vater dem Jungen die Hand hin streckte um ihm auf zu helfen.

Pesh? Wärst du so freundlich? Einen Moment sah ich Fin verwirrt an, bis ich begriff was er wollte.
Ich nickte etwas zögerlich, lächelte ihm dann ebenfalls zu. "Aber ich werde dich nciht schlagen", meinte ich mit einem Zwinkern.
Ich stellte mich vor ihn und wartete ab, was er jetzt genau demonstratieren wollte.

Finley:

"Du musst mich schon angreifen", forderte ich heraus und wartete, bis Pesh einen Schritt auf mich zuging. Dann legte ich sie genauso schnell aufs Kreuz wie vorher Rana. Allerdings auch hier darauf bedachte, dass sie weich fiel. Wie vorher bei Rana.
"Hast du aufgepasst?", fragte ich dann Kimi und zeigte es ihr noch einmal, Schritt für Schritt. "Wichtig ist, dass ihr den Schwerpunkt des Gegners dahin bekommt, wo ihr ihn haben wollt. Dazu müsst ihr nur hier ... " ich zeigte mit dem Fuß wo man den Rückweg des Fußes des Gegners blockieren musste " ... den Weg abschneiden und hier... " ich zeigte ihnen, wie man mit den Händen und unter Einsatz des eigenen Oberkörpers den Gegner wie einen nassen Sack zum Fallen bringen konnte " ... den Schwerpunkt kippen."

Ich wartete, bis Kimi nickte und forderte dann "So, und jetzt du bei mir. Dann Rana bei dir. Okay?"

Es war nur eine kleine Übung, doch wenn sie diese beherrschten wäre etliches einfacher. So würden Tote vermieden und Blutvergißen verhindert. Man könnte den Gegner mit ein paar einfachen Kniffen ko schlagen oder treten ... Auch keine tolle Sache, aber dieser Gedanke war mir lieber als meine Kinder wie Mini-Soldaten wahllos verletzen und töten zu lassen.

Kimi:

"Ich bei dir?", wiederholte ich verwundert und sah Fin ungläubig an. Er war noch um einiges größer und kräftiger als ich. Aber er hatte ja gesagt, dass das in dem Fall keine Rolle spielte. Und he, wie oft bekam man schon die Chance ihn auf die Matte - auch wenn es hier keine Matten gab - zu werfen.

Schließlich nickte ich und baute mich vor ihm auf. "Okay, dann greif mal an."
Kaum machte er einen Schritt auf mich zu, versuchte ich das Vorgezeigte nach zu machen. Ich kam zwar selbst dabei ins straucheln und wäre fast mit umgeflogen, doch im endeffekt lag Fin doch am Boden und ich stand noch.
Ich grinste breit, wobei es vermutlich anders ausgegangen wäre, wenn Fin wirklich versucht hätte mich anzugreifen. Dann wäre es sicher nicht schnell genug gewesen.
Kurz zögerte ich, dann streckte ich ihm die Hand hin und half ihm auf.

"Das ist ja eine tolle Übung, aber sollten wir nicht ..." Ich schluckte und sah zu Rana, bevor ich auf den Fußboden starrte. Da war irgendein alter Fleck, vielleicht hatte hier jemand ein Glas Wein ausgeschüttet. "... sollten wir nicht lieber lernen, wie wir jemanden töten?" Der Gedanke behagte mir überhaupt nicht, aber anders würden wir die Hungerspiele nicht gewinnen können.

Finley:

"Eins nach dem Anderen", bremste ich Kimi. "Man schafft es durch die Arena ohne auch nur einen Menschen töten zu müssen", warf ich ein. "Verteidigung ist oft der beste Angriff."
Es war eine Floskel - doch es war wahr.

"Ich stelle mich als Angreifer zur Verfügung", bot ich an. So schonten sich die zwei gegenseitig - und ich hielt einiges aus. Während ich anfangs noch selbst nachhelfen müsste würden sie mich nach ein paar Versuchen selbstständig aufs Kreuz legen können.

Als nächstes würde ich ihnen widerwillig Möglichkeiten zeigen, den Gegner das Bewusstsein zu nehmen ... notfalls vielleicht sie noch so zu verletzen, dass sie vorübergehend handlungsunfähig waren ... mehr würde mir hoffentlich nicht abverlangt werden. Denn mehr als das würde ich nicht geben können.

Es wäre wahrscheinlich wirklich besser, wenn ich mit Pesh kurzfristig noch ein paar Grundübungen lernte. Wer wusste schon, was uns auf dem Weg in den neuen Distrikt erwartete?

Kimi:

Etwas ungläubig schüttelte ich den Kopf. "Zumindest den letzten Gegner muss man doch töten." Aber es war mir sowieso lieber, wenn wir uns noch nicht darauf konzentrieren würden. Da hatten mir für heute die Sprüche von dem Trainer bei den Messern schon gereicht.

"Okay." Woher kam eigentlich plötzlich die Sinneswandlung von Fin, dass er uns plötzlich doch so helfen wollte? Und warum hätte er das nicht von anfang an so machen können?
Ich versuchte noch einmal Fin umzuwerfen und dieses mal klappte es - meiner Meinung nach - schon besser.
Dann warf ich Rana einen Blick zu. "Willst du jetzt Fin umwerfen oder lieber mit mir probieren?", wollte ich wissen, bevor ich herzhaft gähnte. Wie spät war es wohl eigentlich? Langsam wurde ich wirklich müde.

Finley:

Nein. Musste man nicht. Nicht, wenn einer der zwei Finalisten einer Kreatur, der Macht der Natur oder einer Krankheit oder Verletzung zum Opfer fiel. Doch das musste man jetzt nicht erörtern.

Noch ehe Rana Kimi antworten konnte schaltete ich mich dazwischen.
"Was haltet ihr davon, wenn ihr jetzt ins Bett geht? Ich bin morgen früh hier und wir könne vor dem Training noch etwas trainieren."
Die Kinder hatten nicht zugestimmt das Training sausen zu lassen und Pesh hatte sketpisch drien geschaut, weshalb ich den Plan änderte. "Dann besprechen wir auch worauf ihr euch beim Trianing konzentrieren solltet. Und nach dem Training komme ich dann wieder her. Einverstanden?"

Die Kinder schienen sich wohler zu fühlen wenn ich sie ernsthaft auf die vermeintliche Arena vorbereitete. Und da sie mir gegenüber - zumindest im Moment - freundlich gestimmt waren wäre die Arbeit mit ihnen sicherlich angenehm. Fast wie zu Hause, fast wie in alten Zeiten. Allerdings mit einem bitteren Beigeschmack - auch wenn es nicht die Hungerspiele waren, die ihnen bevor standen. Eine einfache Aufgabe wäre es jedenfalls nicht.

Kimi:

"Sollte Rana nicht auch noch üben?", wollte ich wissen. Ins Bett gehen klang zwar verlockend, aber mein Bruder müsste doch auch solche Strategien lernen. Und die Zeit drängte.
Andererseits war ich echt müde und das was Fin vorschlug - dass wir vor dem eigentlichen Training schon trainieren sollten und er auch danach noch einmal kommen würde - klang ziemlich anstrengend. Vielleicht war schlafen jetzt wirklich eine gute Idee.

"Okay, dann bis morgen. Gute Nacht." Ich lächelte kurz, bevor ich mich um wandte und schon zur Tür ging.
Jetzt wäre es schon zu spät für den Fluchtplan - ob Fin es genau darauf angelegt hatte? Aber ich wusste ja noch immer nicht genau, ob wir daran festhalten sollten oder ihnen wirklich vertrauen sollten. Dass nur einer von uns beiden überleben könnte, klang für mich nämlich immer noch viel zu hart.
Aber darüber würde ich mit Rana in aller Ruhe noch reden. Ohne die beiden.

Finley:

"Rana übt morgen - Okay Rana?", fragte ich und er nickte müde.

Wir verabschiedeten die Kinder ins Bett und warteten wieder im Gemeinschaftsraum.
Ich wartete eine ganze Weile, ehe ich leise mit Pesh sprach.
"Du solltest auch üben", sagte ich schließlich. "Nahkampf", grinste ich keck und zog sie an mich, küsste sie sanft. Doch dann wurde meine Miene wieder ernst.
"Wir können sie nicht unbeaufsichtigt lassen." Es war eher eine Feststellung. "Rose und Pork bleiben an ihnen dran."
Nicht das mir der Gedanke die Kinder beschatten zu lassen gefiel - doch es war eher Zufall gewesen das Kimis herumlungern aufgefallen war. Wer garantierte uns, das wir das zweite Mal wieder so viel Glück hätten?

"Ich hasse das", flüsterte ich.
Die ganze Situation. Sollte es wirklich Swell sein der hier seine Finger im Spiel hatte wüsste ich was ich als nächstes täte. Meine nächste Aufgabe wäre die, Swell dazu zu bringen sich zu wünschen unsere Kinder nie in diese Situation gebracht zu haben ...
Doch das lag in weiter Ferne! Unsere jetzige Aufgabe war eine ganz andere. Eine, die in meinen Augen deutlich schwieriger war...

Pesh:

Ich sah unseren Kindern nach, als sie den Gemeinschaftsraum verließen um ins Bett zu gehen.
Zu gut konnte ich mich noch an die Zeit erinnern, als Kimi und Rana jeden Abend fin genötigt hatten ihnen eine Gute Nacht Geschichte vor zu lesen oder noch etwas früher, wie ich ihnen in den jahren nach meiner Operation Schlaflieder vorgesungen hatte.
Die beiden wurden meiner Meinung nach zu schnell erwachsen und die Situation hier schien das alles noch mehr zu beschleunigen.

"Nahkampf?", wiederholte ich mit zweideutigem Unteton, bevor wir uns küssten. Aber es war der falsche Ort und auch eine zu angespannte Situation, als dass wir uns wirklich die Zeit für mehr nehmen könnten.
"Nein." Ich schüttelte den Kopf und hauchte Fin noch einen Kuss auf die Lippen. "Das war schon immer dein Problem, dir fällt es schwer zu vertrauen. Aber vertrau ihnen doch einmal. Kimi und Rana sind nicht dumm, sie würden es sofort merken, wenn du Rose und Pork damit beauftragst, sie zu beschatten. Das könnte ihr Vertrauen in uns nun doch noch völlig zerstören." Natürlich wäre es riskant. Sehr riskant.
"Wir sagen ihnen am besten Bescheid, dass sie etwas aufpassen sollen, aber sie sollen die beiden nicht rund um die Uhr bewachen", schlug ich vor. Ich wusste noch, wie ich damals reagiert hatte, als Fin mir erklärt hatte, er hätte mir einen Sender untergeschoben. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, das weder Rana noch Kimi viel begeisterter reagieren würde, wenn sie bemerken würden, dass wir sie überwachen ließen.

"Nicht nur du", gab ich ebenso leise zurück und lehnte meinen Kopf gegen seine Brust.
"Wir sollten auch langsam wieder in unsere Wohnung zurück gehen und schlafen. Morgen wird ein langer Tag. Vor allem wenn du wirklich noch mit unseren Kindern trainieren willst und nachher noch mit mir." Von unseren anderen Aufgaben einmal ganz abgesehen.

Rana:

Mich wunderte der plötzliche Stimmungswandel von Dad. Woher kam die plötzliche Wendung das er uns nun doch helfen wollte? Und ann auch gleich so konkret. Doch was half es uns unsere Gegner mit wenigen Handgriffen auf den Rücken legen zu können? Wir könnte ja schlecht 22 Tribute auf den Rücken legen und dann abwarten was geschah.
Ein weiteres Gähnen zeigte mir wie unglaublich müde ich war. Ohne mich umzuziehen legte ich mich ins Bett.
Das Erste, was ich morgen früh tat, wäre mit Kimi reden. Ich musste wissen, wie es ihr ging. Was sie dachte und was sie vorhatte zu tun...

Ich war sehr schnell eingeschlafen und schlief wie ein Stein. Wenn ich letzte Nacht gut geschlafen hatte, dann war ich jetzt wohl tot. Kein Muskel bewegte sich während ich schlief. Doch ich träumte.

In meinem Traum waren Mum, Dad und ich in der Arena, die letztes Jahr eigens für die Spiele errichtet worden war. Doch wir trainierten nur verschiedene Angriffstechniken - und plötzlich waren Mum und Dad weg. Kimi und ich waren allein. "Komm, wir hauen ab", rief Kimi und wir liefen zum Füllhorn. Doch vor dem Füllhorn standen Friedenswächter und über die Lautsprecher hörten wir die Stimmen von Mum und Dad "Vertraut uns". ...

Kimi:

Obwohl ich ziemlich müde war, hatte ich in dieser Nacht große Probleme mit dem Einschlafen. Immer wieder fragte ich mich, was wir tun sollten. Ich wollte nicht in die Arena schon gar nicht mit Rana und daran änderte auch nichts, ob ich jetzt Fin und Mama vertraute oder nicht. Ich wollte da nicht hinein. Punkt. Aus.

Und um ehrlich zu sein, hatten wir nicht versprochen, es nicht doch zu versuchen.
Klar, hatte mich Mamas Geschichte verunsichert, aber ihr ging es doch gut. Und was gäbe es schlimmeres als zu sterben? Dort in der Arena zu streben?

All die Gedanken hielten mich erst wach und begleiteten mich auch in den Träume.
Ich hatte Albträume, irgendwelches unzusammenhängendes Zeug. Hauptsächlich von den Hungerspielen. Irgendwie liefen Rana und ich in dem Traum vor jemanden weg. Er schoß mit irgendwas auf uns. Ich wurde getroffen und gehe mit einem Messer im Rücken zu Boden. Ein Kanonenschuss ertönte, aber da es ein Traum war, konnte ich alles noch weiter verfolgen, auch wenn ich mich nicht rühren konnte. Plötzlich bekam Rana ein mörderisches Funkeln in den Augen. Er zog einen Bogen mit Pfeilen hervor und schoss auf den Angreifer. Und dann waren wir plötzlich wieder auf der Farm, die aber scheinbar auch zur Arena gehörte. Nur dass Rana nun auf die Waisenkinder schoss und nicht auf die Tribute. Danach wurde alles noch verwirrender und als ich aufwachte, konnte ich mich nur an das beängstigende Gefühl erinnern.

Leicht zitternd saß ich im Bett und versuchte mich zu beruhigen. Rana würde niemals zu einem kaltblütigen Mörder werden. Es war nur ein Traum.
Ich warf einen Blick auf den Wecker neben meinem Bett. Dreiviertel Fünf. Zu früh zum Aufstehen, zu spät um wieder ein zu schlafen.
Ich überlegte einige Zeit, bevor ich doch die Beine unter der warmen Decke hervor schwang, auf stand und aus dem Zimmer lief. Ranas Zimmer lag genau auf der gegenüberliegende Seite des Gangs. Zögerlich blieb ich vor seiner Tür stehen, bevor ich doch anklopfte. Es konnte ja sein, dass er auch schon wach war.

Rana:

Ein zaghaftes Klopfen ließ mich in die Höhe fahren. Anscheinend hatte ich nicht fest geschlafen. An einen Traum konnte ich mich aber nicht erinnern.

Aufrecht saß ich im Bett und überlegte, wer das wohl sein könnte. Entschlossen schlug ich die Decke um und tapste barfuß zur Tür. Vorsichtig öffnete ich die Tür einen Spalt breit und blickte in die Augen meiner Schwester.
"Kimi", stieß ich erleichtert aus und öffnete die Tür so, dass Kimi eintreten konnte. "Komm' rein."

Ich krümelte mich aber wieder ins Bett und kuschelte mich unter die Decke. Es erschien mir als sei das Zimmer ungewöhnlich kalt. Kimi deutete ich mit einem Kopfnicken den Platz neben mir an. Eins hatten die Betten hier im Kapitol: sie waren echt kuschlig.

"Kannst du nicht schlafen?", fragte ich sie leise. Zwar war sonst niemand da, aber sicher war sicher. Wer wusste, ob es nicht doch irgendwo jemanden gab, der uns belauschte...

Kimi:

Gerade als ich dachte, es würd doch niemand kommen und Rana würde vermutlich noch schlafen, erklangen leise tappsende Schritte und kurz darauf öffnete mein kleiner Bruder mit verschlafenen Gesicht. Dennoch war ich irgendwie erleichtert ihn zu sehen. So zu sehen ohne dem wahnsinnigen Glitzern in den Augen wie in meinem Traum.

"Hab ich dich geweckt?", fragte ich etwas schuldbewusst. Das wollte ich eigentlich nicht.
Ich folgte ihm ins Zimmer und schloss die Tür sorgfältig hinter mir, bevor ich mich neben Rana setzte.

"Nein, nicht wirklich und konntest du schlafen?", wollte ich wissen.
"Was denkst du eigentlich? Sollen wir nun versuchen zu fliehen oder nicht?"

Rana:

Kimi setzte sich und fragte ich, wie ich geschlafen hätte. "Keine Ahnung", murmelte ich. "Ich hab' geschlafen und auch geträumt, aber ich kann mich nicht erinnern." Konnte ich wirklich nicht. Aber ich war ziemlich kaputt. Ob das an schlechtem Schlaf oder dem anstrengenden Training und den vielen Gedanken und Sorgen des Vortrags lag wusste ich allerdings nicht.

Dann fragte Kimi, ob wir fliehen sollten. Ich sah meine Schwester lange an, ehe ich antwortete. Ich hoffte, aus ihrem Gesicht etwas lesen zu können - hielt sie es für eine gute Idee?
"Hm ... ich weiß nicht", antwortete ich schließlich ehrlich. "Wenn du es für eine gute Idee hälst, komme ich mit!", beteuerte ich sofort, ehe ich mir Erklärungen abrann.
"Naja, was Mama und Papa sagen gibt schon Sinn. Und wenn sie sagen, sie beschützen uns, dann glaube ich ihnen das." Ich zögerte. "Andererseits weiß ich nicht, wie sie uns in der Arena beschützen wollen. Da können sie ja nicht mit und ich bin eigentlich nicht besonders scharf darauf da rein zu gehen ..."
Gedankenverloren nestelte ich an einer Ecke meines Kissens.

"Die Idee mit dem Training gefällt mir aber. Wer weiß, wozu mach sowas mal braucht? Also ich meine jetzt nicht andere Menschen abzuschlachten oder so." Dabei lächelte ich. Als sei es ganz normal sich darüber zu unterhalten und das alles nur ein Witz. "Ich meine es ist bestimmt gut mit ein paar einfachen Waffen umgehen zu können. Da können wir Dad mal beim Jagen helfen oder wenn uns mal ein Tier angreift oder so können wir uns verteidigen. Das hat Dad noch auch gesagt: Verteidigung ist wichtig."

Kimi:

"Ich bin mir auch nicht sicher", gestand ich und drehte eines der kleineren Kissen gedankenverloren in der Hand.

"Ich meine ich will auf keinen Fall in die Arena und womöglich dich verlieren oder sterben. Also ich glaube es gibt nicht wirklich einen anderen Ausweg, oder?", sprach ich das aus, was mir schon die ganze Zeit im Kopf herum schwirrte.

"Am liebsten würde ich einfach die Augen zu machen und wenn ich sie wieder auf mache, wären wir beide wieder in Distrikt 5 auf der Farm", murmelte ich. Es war unmöglich, natürlich.

Bei Ranas letzten Argument nickte ich. Das Training war sicher gut und vielleicht bräuchten wir es wirklich. Nur als er lächelnd meinte, dass er nicht davon redete Menschen abschlachten zu wollen, sah ich ihn etwas wütend an. "Man redet nicht so leicht darüber, andere zu töten. Verstanden?"

Rana:

Erschrocken blickte ich Kimi an. "Hab ich doch gar nicht", verteidigte ich´mich. Oder doch?
Ich schluckte und ließ das Thema lieber fallen bevor ich mir noch selbst Ärger einbrockte.

"Also meinst du, wir sollten fliehen?", fasste ich ihre schwammige Aussage zusammen. "Einfach so? - Wann?"
Die Gedanken, was man mit uns machte wenn sie uns fänden oder bei der Flucht erwischten, was Mum und Dad oder Grandpa und Grandma passieren könnte wen wir mit unserer Flucht Erfolg hatten - all das wischte ich beseite. Daran durfte ich nicht denken. Und ich wollte Kimi auch nicht daran erinnern. Sie hielt eine Flucht offensichtlich für eine gute Idee. Und wer war ich um ihr da zu widersprechen? Ich wollte sie unterstützen, dafür sorgen das sie überlebte.
Dennoch glaubte ich nicht daran, dass eine Flucht uns helfen würde. Vielleicht für den Moment - aber dann? Was tun, sobald wir aus dem Trainingscenter heraus wären? Wohin? Nach Hause? Würde man uns da nicht zuerst suchen? Damit konnte man auch Grandma und Granddad als Unterschlupf streichen. Wo sollten wir hin? Heute? Morgen? In ein paar Wochen oder Jahren? Würde man uns nicht ewig suchen?

Kimi:

Ich zuckte mit den Schultern. Vielleicht hatte er es wirklich nicht und ich reagierte einfach etwas über oder sah schon Gespenster.

Ich kaute eine Weile auf meiner Lippe herum. Eine alte Angewohnheit, wenn ich nicht so recht wusste, was ich sagen sollte. Aber Rana schien nichts dagegen zu haben.
"Ja, denk schon", meinte ich schließlich nachdenklich. Es wäre sicher und wir wüssten um was es ging. Wir würden den Plan kennen.
Ich warf einen Blick auf den Wecker hier, aber es war schon zu spät um heute noch ab zu hauen. Vermutlich waren die Avoxe alle schon wach und würden uns womöglich aufhalten.
"Morgen Nacht, so gegen zwei Uhr in der Früh", schlug ich vor. Um die Uhrzeit sollten doch so gut wie alle schlafen. "Wir schleichen uns über den Dienstbotenaufgang hinunter in die Küche und von dort aus, etwa direkt hinaus, falls es geht und sonst suchen wir uns einen anderen Weg irgendwie muss ja das Essen hier her geliefert werden und der Abfahl wieder entsorgt werden, da schaffen wir es dann unauffällig mit raus."
Es war alles andere als ein perfekt durchdachter Plan, aber ich wollte hier weg.

Rana:

Ich nickte. "Okay", stimmte ich zu. Also morgen Nacht.
"Und dann? Wenn wir draußen sind?", fragte ich dann doch nach ein paar Momenten des Schweigens. Ich widersprach ja nicht direkt, ich wollte nur ein paar Informationen haben.

"Ich meine ... Wohin?"
Kimi wollte weg, das merkte man. Wollte Sicherheit. Ich verstand das. Immerhin wollte ich weder in die Arena noch sterben. Allerdings hatten Mum und Dad gesagt ...
Egal. Ich war mit Kimi hier, und ich würde ihr helfen.

"Gehen wir heute zum Training?", hakte ich noch nach.
Mir kam die Situation so unwirklich vor!

Kimi:

"Irgendwohin. Wir müssen uns verstecken und sobald die Hungerspiele angefangen haben, werden sie vermutlich das Interesse an uns etwas verlieren, dann versuchen wir aus dem Kapitol zu fliehen. Wir wissen ja, wie man in der Wildnis überlebt und dann - was dann kommt, schauen wir, wenn wir es bis dorthin geschafft haben." Ich überlegte. "Wir könnten uns zunächst im Park verstecken." Dort gingen wir mit unseren Großeltern immer hin, wenn wir im Kapitol waren und einmal hatte uns Fin und Mama den Wasserfall gezeigt, wo sie ihr erstes Date hatten. Dort waren nie Leute, das wäre doch ein super Versteck.

"Ja, auf jeden Fall. Fin darf auf keinen Fall merken, dass wir etwas planen. Hörst du? Also trainieren wir heute, wie er vorgeschlagen hat mit ihm und dann in der Trainingshalle. Dann schöpft keiner Verdacht", erwiderte ich und kuschelte mich nun ebenfalls unter die Decke. Es war kalt so einfach da zu sitzen.

Rana:

"Okay", stimmte ich wieder zu. "Also lügen wir Dad an?", hakte ich nach, um den Plan auch richtig zu verstehen.
Mir gefiel der Plan nicht. Doch das war egal. Einen besseren hatte ich nämlich nicht. Wahrscheinlich hätte Kimi Recht.

Ich lächelte meine Schwester müde an und legte dann meinen Kopf gegen ihre Schulter.
"Dann vertrauen wir unseren Eltern eben nicht", murmelte ich und schloss die Augen. Es war schön nicht alleine hier sein zu müssen.