Die heiligen Hallen der Spielemacher

Nach und nach klingt der Lärm ab und die Kreaturen beschäftigen sich mit ihrem Futter. Ich lasse mich von Leikur mitreißen und Lächele zum Käfig des Geschöpfes. „Ja, das ist sie.“ Mit einem dumpfen Aufprall landet auch in ihrem Käfig ein großes Stück Fleisch. Ich trete ein Stück zurück, als er die Hand in den Käfig steckt. Wer weiß, wozu dieses Ding fähig ist? „Menschenfresser?“, wiederholte ich leicht stotternd und schlage mir eine Hand vor den Mund, weil mir richtig Übel wird. „Demnach ist das da..“ –ich deute auf das Fleischstück und lasse den Satz in der Luft hängen. „Oh Gott“ Mit fest vor den Mund gepresster Hand weiche ich zu dem Drehstuhl zurück und setze mich, weil ich befürchte dass meine Beine unter mir nachgeben. „Und die habt ihr eingefangen.. oder? Ihr beschützt damit die Bevölkerung?“, versuche ich verzweifelt einen anderen Weg zu finden, als den der sich in meinen Gedanken langsam seinen Weg bahnt. Ich bemerke einige Schilder an manchen der Käfige. Meine Augen weiten sich und meine Hand sinkt in meinen Schoß. Zahlen in Kombination mit Buchstaben. Ein Erinnerungsbruchstück sammelt sich und vor meinem geistigen Auge sehe ich ein ähnliches Schild in Matts Wohnung. Es ist an der Trage montiert gewesen! Aber... soll das heißen ich bin wie sie? Ich fresse doch keine Menschen! In Gedanken versunken schüttele ich ablehnend den Kopf. Nein, ich bin anders! Hilfesuchend sehe ich von Leikur auf das Schild, aber ich weiß, dass er niemals so reagieren könnte wie Matt. Matt war ein verbündeter und Leikur ist mein Gegner. Trotzdem habe ich keine andere Wahl als ihn ins Vertrauen zu ziehen, also hole ich tief Luft und fange an zu reden. „Ich bin auch so, nicht wahr?“, murmele ich, während ich einen kleinen Zettel aus meiner Manteltasche ziehe. „Versuchsreihe A. Das bin ich, oder?“ Ich sehe Leikur nicht an, sondern starre auf den kleinen zettel in meinen Händen. Es steht zwar in roten, großen Buchstaben “Gescheitert“ darunter, aber offensichtlich bin ich ja auch so, denn ich kann mich an nichts von früher erinnern. Nur teilweise kehren Bruchstücke zurück.

Mit einem amüsierten Lächeln beobachte ich ihre Reaktion, als sie begreift, was meine Worte bedeuten.
"Genau, ein Drogendealers, Zuhälters und Sirenas Abendessen", erkläre ich aus. Auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin, ob das Fleisch wirklich von dem Hingerirchteten kommt, liegt die Vermutung nahe. Auch wenn das wohl nicht die gesündeste Kost für meinen Liebling ist.
"Eingefangen?" Ich lache. "Erschaffen trifft es wohl eher."
Die Frau wirkt mittlerweile ziemlich bleich. Nachdem sie mich zuvor mit einer Pistole bedroht hat, gönne ich es ihr nun so richtig. Langsam nehme ich meine Hände wieder aus dem Käfig von der Löwin und gehe auf Iva zu.
In ihrer Verwirrung oder Panik fragt sie, ob sie auch so ist. Ich bin kurz davor über diese Albernheit zu lachen. Sie ist eindeutig mehr Mensch als manch andere hier im Kapitol und auf keinen Fall wie meine Mutanten, als sie jedoch einen Zettel hoch hält, bleibt mir das Lachen im Hals stecken.
Versuchsreihe A?
Ich schnappe mir den Zettel und überfliege ihn kurz. Das kann nicht sein. Die Versuche haben nicht geklappt damals. Ich schüttle den Kopf. Lese mir noch einmal den Zettel durch, vom Alter kann es hin kommen, aber da steht GESCHEITERT darunter. Alle Versuche damals scheiterten. Bis Matt - Nach diesen Versuchen kündigte Matt. Kann es also doch sein.
"Nein", entscheide ich für mich, kann meinen Blick aber weiterhin nicht von dem Papier wenden. Und wenn doch?
"Kann ich die anderen Unterlagen noch einmal sehen?", frage ich anstelle eine Antwort zu geben. Vielleicht liegt darin die Antwort versteckt. Meine Augen leuchten auf. Wenn es wirklich so ist. Wenn Matt es wirklich geschafft hat und jetzt tot ist. Und ich jetzt seine Forschungsergebnisse und sogar einen Beweis dafür habe, dass es funktioniert. Nicht aus zu schließen, was mir dann für Wege offen stehen. Oberster Spielemacher schon vergessen, mit diesem Geheimnis kann ich weit größere Ziele anstreben.

Ich bin froh dass ich sitze, andernfalls wäre ich spätestens jetzt weggeknickt, und Leikur hätte mich bestimmt nicht davor bewahrt, so zufrieden sieht er aus. Erschaffen, ja, genau das war mein Gedankengang. Also bin ich ein nichts? Ein Mutant. Ein erschaffenes etwas. „Wofür?“, krächze ich mit trockenem Hals und bin angewidert von dieser Stimme. Ich mochte diese dunkle, verführerische Stimme mehr. Warum sprach ich denn nun so komisch? Ich räusperte mich, um dieses eklige Gefühl loszuwerden. Er reißt mir den zettel aus der Hand und studiert ihn. Er schüttelt mit dem Kopf und das gibt mir Hoffnung. Also nein? Ich gehöre nicht dazu? Ich ziehe auf seine nachfrage hin einige andere Zettel hervor. Die, die aber mit den dicken, fetten Worten „Wichtig – Streng Vertraulich“ gekennzeichnet wurden, behalte ich vorerst. Noch immer ist mir nicht klar, was er mir versuchen wird anzutun, wenn er raushat, wer oder was ich bin. Misstrauisch gebe ich ihm einen zettelstapel, den ich in Matts Wohnung zusammengerauft hatte. Die waren wohl nicht so wichtig, denn es stand nichts drauf. Trotzdem, es waren so viele Informationen, die ich Leikur freiwillig gab. In seinen Augen tanzt ein Ausdruck, der mir nicht geheuer ist, deshalb umklammere ich meine Waffe und sehe ihn verwirrt an. Diese Art an ihm, schüchtert mich ein, aber das will ich ihn auf keinen Fall sehen lassen. Damit könnte sich alles verändern. „Was nun? Ich hätte gerne Antworten, ich verstehe diese Codewort Sprache nämlich nicht!“ Ich sehe einen Moment zu Boden, lasse meinen Blick durch den Raum schweifen, und sehe Leikur dann wieder in die Augen. „Denken sie dran: Eine falsche Handlung und ich lasse jede einzelne.. Kreatur hier frei. Wenn ich nicht so menschlich bin wie sie, dann werden sie das einzige Opfer sein.“ Ich richte meine Waffe demonstrativ auf den Käfig eines abscheulich aussehenden Mischling aus.. wie vielen Tieren auch immer. Immer wieder fletscht er oder sie die Zähne und donnert gegen die Balken des Käfigs. „Verbündete oder Feinde, das liegt an ihnen.“, sage ich unsicher, da ich nicht weiß, wie ich reagieren sollte, wenn er letzteres wählt.

"Wofür?" Okay die Frau ist ein riesiges Fragezeichen. Hat sie noch nie die Hungerspiele gesehen? Wo ist sie aufgewachsen, wenn das der Fall ist? Denn in ganz Panem kennt man die Hungerspiele und auch meine lieben Mutanten dort. "Um kleine Kinder abzuschlachten", antworte ich extra brutal ausgedrückt, da ich ihre Angst fast schon genieße. Beiße mir aber im nächsten Moment auf die Lippen, als ich ihre Waffe sehe. Auf keinen Fall überstrapazieren, ich habe nämlich nicht vor in meinen Ferien oder generell zu sterben.
Ich lege den einen Zettel beiseite und greife nach dem Pack Zetteln, den sie mir reicht. Besonders genau hat sie wohl nicht darauf geachtet, was sie einpackte, denn zwischen ein paar wissenschaftlichen Berichten, Auszüge aus seinem Forschungsjournal und Notizzetteln, findet sich auch relativ unwichtige Zetteln.
"Das hier ist eine Telefonrechnung", meine ich und reiche ihr den Zettel zurück. Bei ihrer Drohung schmunzle ich: "Sie glauben doch nicht wirklich, dass meine Kreaturen mich ihren Schöpfer und Versorger eher angreifen würden, als ein saftiges und junges Ding, wie sie sind. Ob sie rein menschlich sind oder nicht, ist da Nebensache." Ich hoffe, dass sie mir glaubt, allein schon weil ich Sirena so ohne weiteres gestreichelt habe, denn die meisten Mutanten würden keinen Unterschied zwischen uns machen.
"Stecken Sie endlich die Waffe weg, wenn wir keine Feinde sind?", will ich wissen, als sie erneut damit herumfuchtelt. Die Pistole macht mich verdammt nervös.
Um mich abzulenken, vertiefe ich mich wieder in die brauchbaren Zetteln.
"Aus den Unterlagen geht es nicht eindeutig hervor", erkläre ich schließlich.

Ich stehe auf, wobei der Drehstuhl zurückrollt und gegen einen Tisch oder ein Pult knallt. Wütend starre ich ihn an. Dieses Spiel passt mir nicht und die Gefühlsachterbahn ebenso wenig. Wenn er das im Spaß sagt, dann ist es nicht lustig! Ich stoße ihm die Waffe gegen die Brust und schupse ihn ein Stück in Richtung der Käfige. „Kinder.. Was wollen sie damit sagen? Eine Anspielung auf das „gescheitert“?! Ich weiß nur was ich hier sehe, Vergangenheit ist Vergangenheit. Oder sind wir wirklich dazu da, Kinder zu töten?“ Ich spreche schneller, als ich denke und deshalb fällt mir erst danach auf, dass Wörtchen „Wir“ verwendet zu haben. Egal, ich zähle mich bereits zu diesen Kreaturen. Ich bin ein Teil wie sie, oder sie sind teilweise wie ich. „Sollte ich dazu gehören, zu diesen Menschenfressern, haben sie bereits einen sehr schlechten Stand, Mister. Ich wüsste wer mein erstes Opfer wäre.“ Ich lächele kühl, um meine alte Position zurück zu ergattern. Ich kann unmöglich das arme Mädchen in diesem Gespräch sein. Er jedoch, studiert nur die Zettel und hat dieses Lächeln nicht einmal bemerkt, also gebe ich auf, und blicke mich neutral um. Er reicht mir eine Telefonrechnung. Schon wieder ein Papier mit unzähligen Nummern. Genervt stopfe ich es in die Tasche zurück. Ich muss mich geschlagen geben, als er behauptet, dass die Tiere ihn nicht angreifen werden. „Wie heißt sie?“, frage ich ihn mit einem Blick auf die geflügelte Katze. Trotzdem musste ich kurz lachen. „Saftiges junges Ding? Ich nehme das durchaus als Kompliment.“ Er schien einen Moment wieder in die Unterlagen vertieft, als er mich fragte, ob ich die Waffe absetzen würde. „Vermutlich nicht. Ich traue ihnen nicht. Sie werden mich umbringen, foltern, überzüchten – wie die ganzen anderen hier. Ich will nicht wieder vergessen, nicht wieder schlafen. Ich will nicht mehr verändert werden.“, erwiderte ich mit einem Schulterzucken und wurde doch mit jedem Wort zorniger. Matt, dieser Scheißkerl! Zu gern würde ich wissen, was er alles mit mir gemacht hat, und wer oder was ich vorher war.

( Tut mir übrigens leid, das es so gedauert hat! D: Vergessen den PC auszumachen und war gerade nicht da. )

(*schulterzucken* np)

Ihr 'Wir' verwundert mich, darum deute ich auf die Käfige hinter mir und meine: "Ihre Geschwister waren dazu da die Tribute zu töten oder selbst getötet zu werden." Nur bei dem letzteren Teil meines Satzes schwingt Traurigkeit mit. Wie sehr ich es hasse, jedes Jahr meine Mutanten in den Spielen sterben zu sehen und diesen dummen Kindern ist ees völlig egal, wenn sie meine Lieblinge abschlachten.
Ihre anderen Komentare übergehe ich einfach. Da ich nicht glaube, dass mir es sich bei der Frau um einen Menschenfresser handelt.
"Sirena", antworte ich ohne von den Unterlagen auf zu blicken. Ich kann mir auch so denken, nach wem sie fragt. Als sie meint, sie sehe es als Kompliment, schmunzle ich wieder. Warum nicht?
Bei ihren nächsten Worten werde ich hellhörig. Überzüchten, nicht wieder vergessen, nicht wieder schlafen. Ich will nicht mehr verändert werden. Kann es wirklich sein? Nach diesen Worten schon. Vielleicht ist sie wirklich geglückt. Schnell schiebe ich den Gedanken in den Hintergund und tue so, als würde ich weiter in den Akten suchen.
"Matt ist wirklich tot?", will ich noch einmal bestätigt bekommen.

Er deutet auf einige Käfige und scheint mir, nach meinem kleinen Wutausbruch, in aller Ruhe näher erklären zu wollen, wozu wir da sind. Tribute töten. Ha-ha! Was soll das denn jetzt wieder heißen? Ich höre etwas Traurigkeit in seiner Stimme und auch der Ausdruck in seinen Augen wird für einen Moment traurig. Wie? Er mag uns? Gut, er ist derjenige, der uns erschafft, jedoch heißt das noch lange nicht, dass er das mag. „Tribute?“, hake ich nach. „Ich verstehe einfach nicht, was das alles heißen soll. Ich denke wir dürfen hier eigentlich nicht raus? Was ja schon mal überhaupt nicht geklappt hat, weil ich schließlich zum ersten Mal hier bin... hoffe ich.“ Ich gehe wieder ein paar Schritte auf den Käfig zu. „Hallo Sirena“, sage ich in sanftem Ton. Es scheint, als würde es zwischen all den Monstern auch mal ein paar Lichtblicke geben. Ich lächele ihr zu, aber es wird sie nicht sehr interessieren, schätze ich. Immerhin – sie ist ja doch wieder nur ein Tier. Niemals wie ich. „Sind das alles Unikate? Ich meine, andernfalls könnte es doch von mir auch noch mehr geben, oder? Wo sind die, ich sehe hier niemanden wie mich.“ Als ich meinen Blick wieder Leikur zuwende, blättert er immer noch in dem Papierstapel. Komisch, wie lange man sich mit diesem Unsinn beschäftigen kann.
Allerdings sah das alles auch für mich recht kompliziert au, also ließ ich ihn. Matt’s Name fällt und er hat meine volle Aufmerksamkeit. Ich drehe mich zu ihm um, und sehe ihn an, obwohl er den Blick nicht erwidert. „Du kannst seine Reste haben, wenn du willst.“, antworte ich trocken. „Falls du mal wieder etwas Futter brauchst.“

Amüsiert blicke ich auf, als sie vorschlägt mir - oder eher meinen Geschöpfen - Matts Reste zu überlassen. Keine schlechte Idee, auch wenn ich mir etwas schöneres denken kann, als im Magen einer dieser Mutanten zu enden.
Ich lege die Zetteln weg, irgendwann wenn ich einmal mehr Zeit habe, werde ich das alles genauer überprüfen. Ich mustere die Frau noch einmal, bevor ich mich zu ihren vorherigen Fragen äußere. "Himmel, was hast du bis jetzt in dienem Leben gemacht, wenn du noch nie etwas über die Hungerspiele und Tribute gehört hast." Irgendwie kränkt es mich, dass sie keine meiner Mutationen schon mal in Aktion gesehen hat. Doch ich verschiebe den Gedanken und erkläre: "Tribute sind Kinder im Alter zwischen 12 und 18, die in eine Arena gesteckt werden um sich gegenseitig um zu bringen. Während der Zeit leben auch die Geschwister oder Klone oder wie du es nennen willst verschiedener Mutanten dort und verspeisen den ein oder anderen Tribut. Ist die Arena zu ende, kommen die Originale hier herunten her, der rest wird etwa in der Arena gelassen oder 'entsorgt'."
Ich studiere sie noch mehr, als wäre sie wirklich auch ein gezüchtetes Geschöpf oder zumindest Wiedererwecktes. "Bei dir dürfte die Sache anders liegen. Du bist sicher kein Mutant für die Arena, aber um genaueres sagen zu können, bräuchte ich Einblick in alle Unterlagen von Matt." Dass ich schon jetzt mehr weiß, verschweige ich.

Er sieht endlich einmal auf, und sieht dazu noch etwas belustigt aus, was ihn etwas freundlicher wirken lässt, als sonst. Allerdings sehe ich wohl nicht mehr so freundlich aus, als er schon wieder das Thema Vergangenheit anspricht. „Also, so langsam solltest du mal begreifen, dass ich mich nicht erinnern kann, was vor diesem jetzt und hier war.“, rede ich ihm rein, höre dann aber geduldig zu. Was er sagt macht aber einfach keinen Sinn. Wer sollte bitte so einen Scheiß veranstalten? Zu welchem Zweck? Außerdem würde das doch keiner zulassen.“ Kompletter Schwachsinn!“, lache ich auf und sage Leikur dann auch, warum das nicht sein kann. Ich lache nochmals und schüttele den Kopf. Der denkt doch auch, der kann mich veralbern! „Die restlichen Unterlagen hab‘ ich Zuhause.“, lüge ich. Ich will ihm die Unterlagen noch nicht jetzt geben. Ich will erst wissen, dass dann nicht wieder dieser Ausdruck in seinen Augen tanzt.

"Denkst du wirklich?", hacke ich nach. Die Hungerspiele sind selbstverständlich für mich und wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, was sie ist, hat sie mehr mit den Spielen zu tun gehabt, als ihr vielleicht lieb war. Das behalte ich jedoch für mich. Stattdessen zucke ich mit den Schultern: "Du kannst sie dir gerne im Fernsehn ansehen, bald starten sowieso die neuen Hungerspiele."
Mein Gesicht verfinstert sich etwas, als sie behauptet, die restlichen Unterlagen seien bei ihr zu Hause. Da bringen sie mir nämlich nichts. "Gut, dann kann ich dir jetzt auch nicht mehr viel helfen", meine ich. Gerade als ich das sage, realisiere ich, dass damit mein Urlaub endlich wieder beginnen kann. Ich muss nur die Person irgendwie dazu bringen, mit keinem anderen zu reden, bevor ich alle Unterlagen zu Matts Projekt habe.

Ich nicke bekräftigend. „Logisch, sowas würde niemand zulassen.“ Ich bin kurz davor erneut zu lachen. Dass er mich das glauben lassen wollte! Allerdings halte ich mich zurück. Zu viel lachen könnte mir meine Position, die ich ohnehin langsam aber sicher verliere sofort entreißen. Ich sehe ihn schockiert an. Fernsehen. Die Stimmen aus dieser Flackerkiste, die ich zerschossen habe, waren also über diese komischen Spiele? Die gibt’s wirklich?! Er scheint nicht gerade begeistert, darüber dass ich die Papiere angeblich dort gelassen habe. „Ich dachte dieser komplette Stapel reicht!“, versuche ich mich zu verteidigen. Ich überlege angestrengt, was zu tun ist. Ich kann ihn unmöglich laufen lassen! Er weiß wo ich wohne, er weiß wie ich aussehe, und er ahnt wer oder was ich bin! Keine Chance. Allerdings will ich ihn nicht erschießen. Ich müsste wieder von vorn‘ beginnen. Unsicher tippe ich gegen meine Waffe, dessen lauf ich auf den Boden gerichtet habe.

"Das hier -" Ich breite die Zetteln auf dem Deckel der Kühltruhe aus und ordne sie halbwegs nach ihren Aussagen. "Sind Laboraufzeichnungen, wissenschaftliche Texte, die nichts mit dir zu tun haben und nur ein winzig kleiner Teil von Versuchsreihe A aber ohne Rezept, primitiv ausgedrückt. Es fehlen die Informationen, wie er es gemacht hat oder zumindest versucht hat", erkläre ich ihr wütend. Alles, jeden Mist hat sie mit genommen, nur das wichtigste für mich, das mit dem ich Matts Versuch nach machen könnte, fehlt natürlich.
In dem Moment kommt mir eine andere Idee. Es ist zwar etwas aufwändiger, aber vermutlich auch informativer. "Ich könnte auch ein paar Test durchführen, dann hättest du Klarheit was oder wer du bist -" Und ich mit etwas Glück die Formel in den Händen.
Bevor sie überhaupt merken würde, dass ich sie für die Versuche narkotisiere, wäre sie auch schon weg und dann könnte ich sie töten oder Sirena zum Fraß vorwerfen oder einfach hier unten einsperren. Ich würde mir die Informationen aus Matts Büro holen und dann eine strahlenden Zukunft beginnen.

Mit seiner Wütenden Art, steckt er mich an und ich werde ebenfalls wütend. Es ärgert mich, wie er reagiert, also raufe ich die zettel zusammen und stopfe sie unachtsam in meine Tasche. Mit dieser Art bin ich dem Schritt ihn zu töten, doch wieder ein Schritt näher als ich zuvor angenommen hatte. Warnend schieße ich eine Kugel in den Gang zwischen zwei Käfigen. Lasse die Augen aber nicht von Leikur, damit er kapiert das die nächste Kugel ihm allein gehören könnte. Einige der Tiere machen durch den Schuss etwas Krach, aber das ignoriere ich diesmal, weil ich das bereits erwartet hatte. „Wie er was gemacht hat?“, zische ich zurück, dabei kenne ich die Antwort. „Es geht nicht darum wie er es gemacht hat, es geht darum herauszufinden warum er es gemacht hat!“ Es ist albern, dass ich vor ihm stehe und ihn mit bebender Stimme fast schon anschreie. Wieder dieser Ausdruck in seinen Augen! Als wäre der Plan schon geschrieben, aber du kennst ihn einfach nicht. Er wird sich noch wundern, wie schnell Kugeln fliegen.

Ich zucke erschrocken zusammen, als sie ihre Waffe hebt und wirklich abdrückt. Zwar nicht in meine Richtung, aber die Drohung verfehlt ihre Wirkung nicht. Die ist völlig verrückt. Ein paar der Mutanten brechen in Panik aus und schreien wild durcheinander.
Bevor sie auch noch auf die Idee kommt ihre andere Drohung wahr zu machen und die Kreaturen mit Kugeln zum Schweigen zu bringen, antworte ich schnell um sie abzulenken: "Wie er Sie gemacht hat, falls Ihre Theorie stimmt und Sie ebenfalls ein Mutant sind." Kurz halte ich inne, bevor ich hinzu füge, hauptsächlich um sie davon zu überzeugen, dass ich auch den Rest der Unterlagen brauche: "Sonst ist es durchaus möglich, dass Matt Sie einfach auf der Straße gefunden hat und mit Medikamenten, Drogen oder gezielten Operationen Ihre Erinnerung gelöscht hat." Dass Matt dazu vermutlich keinen Anlass gesehen hat, da er nicht einmal mit seinem (angeblichen) Erfolg an die Öffentlichkeit ging, verschweige ich mal wieder. Sie scheint sowieso zu aufgeregt um genau auf meine Reaktionen zu achten.
"Warum?" Ich unterdrücke gerade noch ein Lachen: "Matt arbeitet seit zwei Jahren nicht mehr hier und ich habe keinen Kontakt zu ihm gehabt, woher soll ich das Warum wissen? Seh ich aus wie ein Psychodoktor?"
Das hätte ich wohl lieber nicht sagen sollen, schießt es mir durch den Kopf.

Ich bin noch immer Wütend und daher kein bisschen bereit diesem Widerling auch nur irgendeine Art von weiterer Information zu geben. Er weiß ja ohnehin schon zu viel. Seine Idee mit den Tests sollte er auch ganz schnell wieder vergessen, andernfalls kann er sich gleich neben Matt niederlegen. Ich habe allmählich genug von dem Zeug von Kombinationen, komplizierten Veränderungen und vor allem Tests, bei denen ich weder Kontrolle über den Verlauf, noch über die Wirkung habe. Wäre ich irgendeine Frau von der Straße, hätte er mich wohl kaum derart äußerlich verändert. Außerdem hätte man mich vermisst. Ich muss in dem Fall eine Familie gehabt haben, man hätte mich gesucht. Er weiß genauso wenig wie ich über das Warum. Schulterzuckend mustere ich ihn. „Ja, irgendwie schon. Und dieser vollkommen Irre Ausdruck in ihren Augen, den hatte Matt auch, als ich die Augen aufgemacht hab‘.“ Ich ziehe meinen Mantel über, schultere meine Tasche und winkele kurz meinen Arm mit der Waffe an, mit dessen Lauf ich mir kurz gegen meine Schläfe tippe und dann auf ihn richte. „Gibt‘s hier noch anderes zu sehen? Ansonsten ziehe ich es vor jetzt zu gehen um meinen Umzug zu planen.“ Ich werde ihn nicht töten, vorerst nicht. Er weiß bestimmt dank alter Akten wo Matt wohnt, also werde ich den wichtigsten Kram zusammenpacken und mir eine eigene Wohnung suchen müssen. So weit weg wie nur möglich. Abtauchen und Anonym werden. Und ich bräuchte dringend Verbündete.

Irrer Ausdruck? Ich lasse das einmal unkommentiert. Aber was erwartet sie denn, wie ich reagiere, wenn vor meiner Nase mein Aufstieg an die Macht steht?
Ein kalter Schauer läuft meinen Rücken hinab, als sie ihre Sachen packt. Obwohl das bedeutet, dass ich in meinen Urlaub kann, will ich ihr Geheimnis nicht so einfach verlieren. Wer kann sagen, ob sie nicht morgen schon einen anderen meiner Kollegen aufsuchen würde. So gut ich mich mit Lucia auch verstehe, nicht einmal ihr würde ich es gönnen diese Entdeckung für sich zu beanspruchen. Irgendwie muss ich sie aufhalten.
"Du hast von Versuchsreihe A gesprochen. Ich kann dir Zeigen worum es sich handelte." Hinten im Forschungsraum befinden sich noch immer eingie alte Aufzeichnungen darüber. Ich hoffe, dass sie darauf eingeht um mir etwas mehr Zeit zu verschaffen, zu überlegen, wie ich alle Informationen von ihr bekomme oder noch besser, sie irgendwie hier behalten kann. Ein paar Käfige sind schließlich ncoh frei.

Mit purem Unverständnis im Blick, sehe ich ihn an. „Versuchsreihe A ist gescheitert. Was wollen sie mir da zeigen außer dicker Akten, die ich ohnehin nicht verstehe?“ Ich halte mich an Dinge, die ich sehe und begreife. Dinge, wie diese Kreaturen hier, wie sie eingesperrt in ihrem Käfigen verkümmern. Ich frage mich, ob sie da draußen überhaupt überleben würden. Ich denke, das ist etwas, was wir gemeinsam haben. Wir kommen da draußen nicht ganz zurecht. Wir sind schlicht und einfach zu blöd dafür. Unsere Ziele erreichen wir mit Gewalt. Meine Genossen mit ihren Körpereigenen Waffen, und ich mit meiner Waffe. Ich werfe einen Blick auf Sirena. Ich werde wiederkommen und sie hier rausholen. Sie ist zu schön um hier eingesperrt zu sein. Mein Blick wandert zurück zu Leikur. „Also?“ Gelangweilt verlagere ich mein gewicht immer wieder von einen auf den anderen Fuß. Verdammt, diese Schuhe bringen mich allmählich um!

Ich zucke mit den Achseln, bei ihrer Antwort. Ich bin mir sicher, dass ich sie mit dem Wissen über die Versuchsreihe A doch noch ködern kann.
Ein Lächeln bildet sich auf meinen Lippen und ich wende mich einem Käfig zu, damit sie es nicht sieht. Es fühlt sich höchst unsicher an, Iva den Rücken zu zu kehren. Meine Sinne laufen auf hochtouren und die Haare in meinem Nacken stehen zu Berge, während ich versuche mir nichts anmerken zu lassen.
"Na ihr?" Ich strecke meine Hand in den Käfig. Zehn kleine Kapuzineräffchen sitzen darin. Zumindest sehen sie aus wie die fast harmlosen Äffchen, aber als sie mich wütend anfauchen, zeigen sie ihre dolchspitzen, tötlichen Zähne, die sie so manchem Tribut schon in den Hals geschlagen haben. Ich liebe es einfach, harmlos aussehende Tiere zu tötlichen Mutanten zu züchten. Ein Muttertier mit ihrem kleinen Jungen am Rücken springt fauchend auf mich zu und klammert sich an den Gitterstäben fest, als ich meine Hand herauß ziehe. "Zu langsam, Mincha."
Erst jetzt drehe ich mich wieder zu dem Gast um, verwundet sehe ich sie an, als habe ich in den letzten paar Minuten vergessen, dass sie da ist.
"Ich dachte, Sie wollten gehen? Oder interessiert Sie doch noch etwas über Versuchsreihe A? In den Akten dürften noch die Namen der Versuchsobjekte stehen." Ich verstumme kurz, bevor ich geheimnisvoll hinzu füge: "Die ursprünglichen Namen."

Er wendet sich ab und ich trete unentschlossen auf der Stelle. So viele Möglichkeiten, die er mir anbietet! Ihn jetzt erschießen, um ihm nicht in die kaufen sehen zu müssen? Die Tiere würden ihn schon wegfressen. Versuchsreihe A? Oder ihm die weiteren Akten bringen? Er beschäftigt sich mit einigen Tieren in einem Käfig und streckt seine Hand hinein. Taktisch Unklug, denn als einer der Affen zur Attacke ansetzt wird mir klar, dass er gelogen hat, und wieder bildet sich das Lächeln auf meinen Lippen. Sie würden ihn ihren Schöpfer eben doch angreifen. Er dreht sich zu mir um und sieht mich gespielt überrascht an. Herausfordernd sehe ich ihn an. „Na dann lassen sie mal sehen.“, gebe ich nach.

Ich wusste, dass sie darauf anspringt, schießt es mir durch den Kopf. Nur mit Mühe schaffe ich ein gleichgültiges Gesicht zu bewahren und nicke einfach sachlich.
Bevor ich los gehe. Den langen Gang mit den Käfigen links und rechts hindurch bis sich der Weg verzweigt und Türen von ihm abgehen. Die Türen sind mit kryptischen Symbolen betitelt um möglichen Eindringlingen keine Anhaltspunkte zu geben, um was es sich in den Räumen dahinter handelt. Bis jetzt habe ich diese Beschriftung einfach nur lächerlich gefunden, da ich nicht dachte, irgendwer könnte die ganzen Sicherheitsvorkehrungen umgehen. Na ja falsch gedacht.
Ich bleibe vor einer Tür stehen und halte mein Augen in den Irisscanner.
"Natürlich kann ich nur die gesammelte Liste finden von den Versuchsobjekten", meine ich so nebenbei. Die Liste ist sowieso nur der Köder. Ich hoffe, wenn sie die dreiundzwanzig möglichen Namen liest, sie doch so neugierig zu machen, dass sie einigen Tests zu stimmt um angeblich ihre DNA zu untersuchen.

Mein Gedächtnis puzzelt. Ich verknüpfe die Geschichte, Details und neuste Informationen. Das Ganze ist mehr, als ich bewältigen kann, so auf einen Schlag wirkt die Informationsmasse überwältigend, aber ich hatte die Antworten gefordert und ich hatte sie bekommen. Stumm folge ich ihm durch den Gang. Erneut hält er seine Augen in ein blaues Licht. Was für eine einfache Art, die Menschen zu manipulieren, wenn sie das hier nicht mehr aushalten. Umgeben von derartigen Geschöpfen würde ich den Verstand verlieren. Leikur hatte gesagt, dieser Job sei geheim. Und wenn er nun reden wollte? Sie könnten schlicht und einfach das Licht verändern und er wäre Blind. Warnung genug, schätze ich. Misstrauisch starre ich den Kasten an. Meine Augen wird dieses unnatürliche Licht niemals so anleuchten!

"Bleiben Sie da weg", ermahne ich die Iva, als sie näher an den Irisscanner heran tritt. Wenn das Teil ein Auge erkennt, startet es sofort mit der Untersuchung und da Ivas Iris wohl kaum in unserer Datenbank gespeichert ist, dürfte das einen Alarm auslösen. Und eigentlich habe ich noch immer nicht vor, mir eine Kugel von ihr einzufangen.
Ich öffne die Tür und automatisch geht im Raum dahinter das Licht an. In der Mitte befindet sich fünf Tische die im Kreis zueinander gestellt wurden und auf denen die Computers mit sämtlichen Daten stehen. An den Wänden türmen sich Aktenschränke. Um nicht zu riskieren, dass durch einen Hacker Angriff oder einen Systemabsturz unsere Daten verloren gehen, haben wir sie sowohl in digitaler Form als auch in Papierform gespeichert und die wichtigsten noch auf einen Externenrechner falls hier einmal ein Feuer oder ein Mutant alles vernichtet.
Ziellsicher gehe ich auf einen gelben Aktenschrank zu. Darin habe ich erst vor kurzem Unterlagen zu Versuchsreihe A gefunden. Es ist mir in dem Fall sogar lieber, es per Hand heraus zu suchen, als am Computer meine Spuren zu hinterlassen. Außerdem könnte auf dem Monitor die Frau mitlesen.

Als Leikur mich wie ein Schulkind ermahnt, sehe ich ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Ich dachte ich gebe hier den Ton an, aber ich schenke ihm glauben – zumindest für den Moment. Allerdings hatte ich so oder so nicht vor mich dem Teil mehr zu nähern, als unbedingt nötig. Ob Leikur hier freiwillig arbeitet? Ich würde mich fühlen wie in einem Gefängnis. Ich bemerke dass die Tür aufgeht und lasse die Gedanken vor der Tür. Viele Tische, Mattscheiben wie jene die ich zerschossen habe und Schränke. Die Inneneinrichtung ist grauenhaft. Matt hatte definitiv mehr Stil. Bestimmt war er nie gerne hier. Er muss es ebenfalls als Gefängnis empfunden haben, oder? Er geht auf einen gelben Schrank zu und zieht einen gut gefüllten Ordner heraus. Was für eine Verschwendung. Warum bewahrt man auf, was ohnehin nicht geklappt hat? Ich beginne, mich im Raum umzusehen. Auch hier; Keine Kameras. Sollte ich hier lebend rauskommen, sollte ich ihnen ein paar aus Matts Wohnung zukommen lassen, dachte ich grinsend, wandte mich dann aber wieder Leikur zu. Versuchsreihe A – ich konnte gar nicht dazugehören, aber vielleicht förderte mich dies meine Erinnerung, also würde ich ihn reden lassen.

Langsam lasse ich meinen Finger über die Rückseiten der Ordner wandern und lese die Aufschriften. Versuchsreihe A. Ich wusste es. Zufrieden ziehe ich ihn heraus und gehe mit dem Ordner zu einem der Tische. Dabei merke ich Ivas doch sehr abschätzenden Blick. Frauen.
"Es geht um die Zweckmässigkeit eines Raums, nicht um das Aussehen", sage ich. Auch wenn es stimmt, bis auf die Klimaanlage und die Stille hat dieser Raum sehr wenig zu bieten.
Ich schlage den Ordner auf und überblättere die ersten Seiten einfach. Da unsere Berichte immer den selben Aufbau haben, weiß ich, dass dieser Teil eher uninteressant ist. Da ich noch weiß um was es in Versuchsreihe A ging. Auch die theoretischen Überlegungen danach überblättere ich. Dannach kommt die Durchführung.
Verwundert lege ich meine Stirn in fallten und blättere wieder ein paar Seiten zurück. Aber da befindet sich nur die Arbeitvorschrift. Ich stoße einen Fluch aus, dann überfliege ich die Durchführung auf der Suche nach dem Eigentlichen. Doch auch danach finde ich es nichts. Nur das Ergebnis, das in einem Satz zusammen gefasst ist: "Gescheitert, sämtliche Versuchspersonen tot."
"Verdammt", stoße ich aus und blättere noch einmal den ganzen Versuch durch. Aber die Liste zu den Versuchspersonen bleibt verschwunden. Und in der Durchführung sind sie wie üblich nur mir Nr 1, Nr 2 fortlaufend betitelt. Das Teile eines Berichts verschwinden, habe ich noch nie erlebt.
Leichte Panik macht sich in meinem Magen breit, als ich zu Iva zurück schaue. Was die anstellen wird, wenn ich nicht halten kann, was ich eigentlich versprochen habe? Sicherheitshalber sehe ich noch einmal den ganzen Ordner durch. Ohne anderes Ergebnis.