der Park

"Echt? Ich dachte ein Stylist wäre jedes Jahr für den selben Distirkt zuständig. Na ja, man lernt nie aus", meine ich freundlich. Einige Schritte vor uns schiebt ein Mann einen Kaffeewagen und läutet immer wieder eine Glocke an dem Wagen um auf sich aufmerksam zu machen - vermutlich ein Avox, sonst würde er wie in diesen alten Filmen seine Wahren ausrufen.
"Kann ich Sie zu einem Kaffee einladen?", frage ich Susan.

"Gern,danke", willige ich ein. Einen Kaffee könnte ich gerade wirklich gebrauchen. Da Liam sich die ganze Zeit schon in der Leine verfängt, leine ich ihn lieber wieder ab, bevor er sich verletzt.
Ich schlendere auf den kaffeewagen zu, den ich zuvor noch gar nicht bemerkt hatte.

Als sie ihren Hund von der LEine lässt flitzen die beiden Tiere davon. Kurz blicke ich ihnen nach, aber der Park ist groß genug, dass sie nicht auf die Straße rennen würden und Ingi wird schon auf den Kleinen aufpassen und irgendwann zurück kommen.
So gehe ich auf den Kaffeeverkäufer zu und bestelle: "Einen Cappuccino, und für Sie?" Einen Moment übrelege ich noch, dann frage ich die Frau: "Darf ich Sie dutzen?"

Ich folge Leikurs Blick und sehe gerade noch, wie die beiden um eine Ecke huschen. "Einen Milchkaffee", sage ich dann an den Verkäufer gewand. Er reicht mir einen Becher und ich lege meine beiden Hände darum, irgendwie bin ich heute nur am frieren. "Wenn du willst", sage ich lapidar und bin versucht mit den Schultern zu zucken. Mich stört es eigentlich nicht, wenn Leute mich Duzen ohne zu fragen, deshalb kam seine Frage dann doch etwas unerwartet. "Darf ich sie denn auch Duzen?"

"Klar", meine ich. Ich nehme ebenfalls mein Getränk entgegen, wobei ich finde, dass ein Cappoccino in einem Becher nicht gerade gut wirkt. Ich bezahle die beiden Kaffees. Vorsichtig nippe ich an meinem Getränk, ich hatte Recht im Becher kommt der Geschmack nicht so gut rüber, aber für den Preis geht es.
"Wollen wir uns setzen?", frag ich und deute mit dem Kopf auf eine Bank etwas abseits von dem Weg. Es ist eine von denen, deren Sitzfläche beheitzbar ist, was an diesem kühlen Tag nicht schlecht ist.

Anstatt einer Antwort, gehe ich einfach langsam auf die Bank zu. "Ist nur mir so kalt?", frage ich, obwohl ich nicht wirklich eine Antwort erwarte. Ich bin nur froh, das ich mich doch noch für den Schal entschieden hatte. ich denke jeder wartetete nur noch Sehnsüchtig auf den Sommer. Wenn es wieder warm wurde und man auch nur mit T-Shirt aus dem Haus gehen konnte. Erst als ich die Augen wieder öffnete, merkte ich, das ich sie kurz geschlossen haben musste. Ich nehme einen großen Schluck aus meinem Becher und genieße das Gefühl, wie der heiße Kaffee meinen ganzen Hals erwärmt.

"Nein, es ist wirklich kühl heute", antworte ich und gehe ihr nach. Auf der Bank setze ich mich etwas näher, als es für unsere flüchtige Bekanntschaft angemessen ist, an sie heran. und stelle an dem Schaltbrett der Bank die Heizung an.
"Wettst du eigentlich bei den Hungerspielen?", frage ich nachdem wir eine Weile nur stumm da gesessen haben und die Bank langsam, aber angenehm meinen Rücken wärmt.

Schon als er den Schalter anstellt, bilde ich mir ein, Wärme würde meinen Körper durchströmen.
Vielleicht liegt das aber auch nur an dem Kaffee, von dem ich gerade ein bis zwei hastige Schlucke nehme. "Ob ich wette? Nein. Wenn man sie noch 'unbearbeitet' vor sich stehen sieht, denkt man, das sie alle sterben werden. Sind ja auch noch Kinder.." Ich lasse meinen Becher kurz Kreisen, wie bei einem Weinglas, um abschätzen zu können wie viel noch drinnen ist.

"Die meisten nicht mehr unbedingt", entgegne ich. Für mich zählt man als Kind bis zwölf, höchstens dreihzehn oder vierzehn. Wenn man älter ist, beginnt man alles auszuprobieren und ich selbst hab ab dreizehn nicht mehr auf die Anrede 'Kind' gehört, da ich mich nicht mehr als solches fühlte.
"Ich würde gerne, aber wir dürfen ja nicht." Ich lache kurz auf, dann erkläre ich es: "Wir könnten es ja extra so hinbiegen mit den ganzen Fallen und so. Als ob einer von uns wirklich wetten würde um Geld zu bekommen, es würde eher um den Nervenkitzel gehen und dass man seinen Favourit unterstützt."

Die Wahrheit wäre, ich könnte es nicht. Wetten. Die Wahrheit ist, ich kann es nicht mehr. Andere auf den Tod vorbereiten, denn das ist mein Job. Getarnt als "Stylisten". Aber es macht mir Spaß, andere so herzurichten, wie ich es will. Es ist mir eigentlich relativ egal, nicht aber die gesichter der Familien, wenn sie sehen wie ihre Kinder sterben. Leikur scheint das nicht zu kennen. Woher auch? ich bezweifle das er das je gesehen hat. "hast du mal die gesichter der familien gesehen, wenn sie gerade in dem Moment gefilmt werden, wenn sie ihre Kinder sterben sehen?", frage ich ziemlich neutral, ohne das man etwas dahinter vermuten könnte.

Ich schüttle den Kopf. Kurz überlege ich, was ich darauf erwidern soll, dann meine ich: "Aber ich kenne die Gesichtern, von den Eltern, die die Sieger wieder in die Arme nehmen können." Sie sind immer total stolz und glücklich auf ihr Kind, dass das beste von 23 ist.
"Hast du schon mal ihre Gesichter in dem Moment gesehen?" Irgendwie scheint ihr das Thema nicht ganz zu behagen, vielleicht sollte ich es wechseln, aber mich interessiert die Antwort darauf wirklich.

"Habe ich. Irgendwie finde ich es wirklich widerlich, wie sie ihre Kinder dann in die Arme schließen. Es loben und Stolz auf ihn oder sie sind." Erst jetzt hebe ich den Blick wieder und sehe ihn leicht zweifelnd an. Ich überlege ob ich mit gerade ihm, dem, der dem Kapitol in gewisser Weise treu dient wirklich darüber sprechen sollte. "Ich meine nur.. es kommt immer so unecht rüber. Sind sie nun Stolz, das er oder sie es zurück geschafft hat, oder das er 23 Kinder umbringen konnte und sie damit den Eltern des anderen Tributs etwas beweisen konnten?" Einen Moment lang verstumme ich. Um über meine eigenen Worte nachzudenken. "Ich könnte nicht mehr unter deren Augen treten.. vielleicht wegen Respekt, vielleicht aber auch aus Angst."
Und aus so vielen weiteren Gründen, denke ich still für mich. das Thema muss aus meinem Kopf. Um nicht unüberlegt zu reden, setze ich den becher an meine Eiskalten Lippen und trinke genüsslich.

War das gerade Regimkritisch? An ihrer Stelle würde ich diese Meinung nicht so offen vertreten, ich hab fünf Frauen in meinem Haus, die ihr davon ein Liedchen singen könnten, oder eben nicht mehr. Kurz blicke ich mich um, ob jemand lauscht, denn in dem Fall müsste ich sie sicherheitshalber anzeigen, aber zum Glück scheint niemand uns zu beobachten. Und eigentlich bin ich ein Typ, der die freie Meinungsäußerung respektierte.
"Niemand hat bisher 23 Tribute töten können, nicht mal in den 2. Jubeljubeläum. Die höchsten Tote, die einer mal geschafft hat waren 13", erwidere ich. Als Spielemacher kenne ich so ziemlich jede Werte und Spiele auswendig. Nichts worauf ich besonders stolz bin, aber das gehörte zu meiner Ausbildung.
"Wann hast du es sehen können?" So etwas kommt normalerweise nicht im Fernsehen und ich glaube nicht, dass sie irgendwie in die Distrikte kommt.

Als er sich umsieht, nutze ich die Gelegenheit die Augen kurz zu schließen und jegliche Zweifel an der Herrschaft unseres 'lieblichen' Präsidenten zu streichen. Ich sollte so nicht denken, ich weiß das. Ich führe ein gutes Leben, das sollte ich schätzen! „Trotzdem sind sie für deren Tod Verantwortlich, auch wenn sie keine Wahl hatten. Also.. wenn ich in der Arena wäre..“ Was wäre dann? Ich wäre als erste tot. Das steht fest. Ich lasse den Satz unvollendet. „Naja.. das mit den Familien.. das ist lange her“, antworte ich ausweichend. Ich lege den Kopf zurück und genieße die Wärme die durch meine Jacke dringt und von meinem Rücken über meine Arme zieht und letzten Endes durch meinen ganzen Körper kriecht. „Ich liebe diese Bänke..“, sage ich knapp, als wollte ich mich völlig auf die Wärme konzentrieren.

"Sie sind selbst schuld, dass sie in die Hungerspiele müssen. Wenn sie nicht rebilliert hätten ... ", gebe ich trocken und fast gleichgültig zurück. Einfach für den Fall, dass doch jemand lauscht.
Sie lässt sich zurück gleiten und genießt scheinbar völlig die Wärme der Bank. Mir selbst ist es bereits etwas zu warm, aber was soll's? Ich lege meinen Kopf in den Nacken und stelle überrascht fest, dass es bereits Nacht ist. Die Straßenlaternen im Park spenden genügend Licht, dass es fast taghell ist hier herunten, aber oben glitzern bereits die Sterne.
"Ich sollte gehen", meine ich. So kurz vor den Spielen sind unsere Arbeitstage besonders hart und da will ich morgen lieber ausgeruht sein, wenn wir unser neuste Motation schlüpfen lassen. Mit zwei Fingern pfeiffe ich nach Ingi und meine dann noch zu Susan: "Treffen wir uns vielleicht morgen noch einmal hier?"

Seine Einstellung schokt mich einen Moment, aber ich muss mich wohl oder übel damit abfinden, die einzige zu sein, die Zweifel wagt. Irgendwie macht es mich wütend. Ich bin versucht ihm so richtig den Kopf zu waschen. Als er sagt, das er gehen sollte hebe ich den Kopf und öffne die Augen. Er pfeift nach seiner Hündin und mit ihr taucht auch Liam auf. Er ist völlig verschmutzt und überdreht. Ich werde ihn Baden müssen, ist mein erster Gedanke. Er springt auf die Bank und krabbelt auf meine Oberschenkel. Er geht kurz im Kreis, als wollte er sich schlafen legen und bei jedem Schritt den er macht, hinterlässt er schwarze Pfotenabdrücke auf meiner hellen Jeans. "Ich denke das ist machbar. Allein schon, weil dieser kleine Kerl mich dazu zwingen wird", antworte ich auf die Frage nach einem erneutem Treffen. Ich hebe Liam hoch, ungeachtet dessen, wie schmutzig er ist, umarme ich ihn. "Ich geh dann jetzt auch. Tschüss Leikur, bis Morgen"
Meinen kaffeebecher werfe ich noch schnell in einen der Mülleier, dann gehe ichd en langen gewunden Weg entlang zurück, auf dem ich gekommen war.

=> Susan Dakotas Haus

Susan scheint alles andere als erfreut zu sein über meine Antwort, wenn sie noch lange ihre Zunge behalten wollte, sollte sie lernen, ihre Gedanken besser zu verbergen. Ein Zeichen dafür, dass sie bis jetzt noch nie mit den falschen Leuten über heikle Dinge gesprochen hat oder dass sie erst seit kurzer Zeit diese Meinung vertritt.
Unsere beiden Hunde kommen angelaufen und Liam springt Susan auf den Schoss und macht ihre Hose dreckig. Auch Ingi ist voller Schmutz und ich streiche ihr über den Kopf, froh darüber, dass sie schon zu groß ist um an mir hoch zu springen.
"Schön, dann bis morgen", meine ich und stehe ebenfalls auf.

--> zu Villa Swell

--> von den Heiligen Hallen der Spielemacher

Als ich ankomme, kan ich weder Susan noch ihren Hund irgendwo sehen, also lasse ich erst einmal Ingi frei laufen, was sie mir Schwanzwedelnd dankt. Kurz überlege ich, dann kaufe ich mir einen Kaffee bei dem selben Kerl wie gestern und setze mich auf eine Bank um zu warten.

Liam befindet sich schon lange außerhalb meines Sichtfeldes und ehrlich gesagt interessiert es mich wenig. In letzter Zeit ist er ständig mürrisch, knurrt oder bellt mich an. Die Hände in meinen Jackentaschen gehe ich einen kleinen Umweg. Erst nach einer Weile entdecke ich Leikur, der mit einem Becher (Cappuccino nehme ich an) in der Hand auf der Bank sitzt. Ich lächele ihm kurz zu und setze mich dann neben ihn. Das Ingi nicht bei ihm ist verwirrt mich. „Ohne Hund heute?“

"Sie läuft vermutlich gerade irgendwelchen Eichhörnchen nach", entgegne ich und lächle Susan zu. "Und bist du heute ohne Hund unterwegs?"
Ich blicke sie an, sie sieht etwas mürrisch aus. "Ein schlechter Tag heute?"

Ich nicke und stelle mir vor, wie diese große Hündin etwas so kleinem nachjagt. Bei der Vorstellung muss ich ungewollt lächeln. ich strecke die Arme zu beiden Seiten aus. "Irgendwo hier ist er. Spätestens wenn er Hunger hat kommt er wieder.", erkläre ich mein alleiniges Auftauchen. Er sieht mich an und scheint zu merken, dass nicht alles so toll ist wie es scheint. "Er macht mir Sorgen..", gebe ich zu. Ich sehe mich um und versuche einen Kaffeestand zu entdecken. Der Milchkaffee hatte wirklich gut geschmeckt. Ich entdecke keinen, zucke mit den Schultern und ziehe eine Bonbondose aus meiner Jackentasche. "Auch einen?" Ich halte Leikur die Dose hin, während ich mir selbst einen nehme.

"So sind junge Hunde nun mal", meine ich und erinnere mich mit Sorge an die Zeit als Ingi so war. "Keine Sorge das geht bald vorbei und am Ende vermisst man es irgendwie. Das ist wie bei Kindern nur schneller vorbei."
"Ja bitte", antworte ich auf ihre Frage und strecke meine Hand aus. Vor uns gehen ein paar Jugendliche vorbei und unterhalten sich über die Ernte, anscheinend gibt es mehrere, die gerade einmal zwölf sind. "Hast du dir die Ernte angesehen?"

"Einen Teil davon..." Ich werde ein wenig nervös und zerkaue den Bonbon mehr, als das ich ihn lutsche. "- ich habe nur halb zugehört, da ich noch an meinen Kleiderskizzen saß. Zudem hat Liam keine ruhe gegeben." Ich denke daran, mit welcher Aggressivität er mich angeknurrt hat und frage mich, was ich ihm nur getan haben kann. "Die, die ich schon gesehen habe.. nun, keiner von ihnen sieht aus wie ein Sieger." Noch nicht. Ich werde versuchen genau das zu ändern. "Hast du es gesehen?"

"Nein, ich hab bis vor einer halben Stunde noch gearbeitet, da blieb keine Zeit, aber ich werde mir heute Abend die Wiederholung ansehen. Stellen nicht die ersten Distrikte meistens die Siegertribute, sind da heuer keine Vernünftigen dabei?" Die Idee ist irgendwie schade, denn die Karrieretribute machen die Hungerspiele erst so richtig unterhaltsam.
"Ich weiß ich bin kein Hundeexperte, aber wenn Liam missmutig drauf ist, biete ihm doch ein Leckerlie, wenn er wieder brav ist", füge ich noch hinzu. Inig hat damals eine große Vorliebe für Käse entwickelt.

"Irgendwie ist es dieses Jahr etwas unkoordiniert, was den Zeitpunkt der Losung angeht. Manche Distrikte haben schon gelost, in anderen noch nicht. Natürlich gibt es einige, die sich ganz Klar von den anderen unterscheiden, aber ich finde ja sowieso, das die unscheinbaren für ihr Aussehen immer überraschende Wendungen bringen."
Sein rat auf das, was Liam angeht nehme ich erst einmal so hin. Ich glaube nicht, das das in nächster zeit sein wird. Ich überlege schon, wie ich das machen soll, wenn ich erst einmal im Zug nach nirgendwo sitze. Da kann ich einen launischen Welpen nicht gebrauchen. Dabei hatte ich mich extra dafür eingesetzt, das mein Abteil Hundefreundlich sein solle.