Die Villa der Kraals

"Da habt ihr ja Glück gehabt", meine ich und wudere mich, also lag ich doch falsch mit meiner Vermutung. Okay auch seine Mutter konnte peinlich sein, ob das in der Generation unserer Eltern lag oder tun die das absichtlich um uns zu ärgern? Wenigsten nannte sie ihn nicht Jairilein. Ich leerte meinen Becher und fragte dann zu ihm: "Darf ich mir noch einen Kaffee holen?"

Meine Mutter und ich nickten nur bevor sie flüsternd hinzufügte: "Gute Freunde zu verlieren ist fast so schlimm wie die Familie." Ich wusste selbst nicht was sie damit sagen wollte, nie hatte sie erzählt, dass sie jemanden in den Spielen verloren hatte oder war es auf mich angespielt? Es blieb keine Zeit für weitere Überlegungen, als Nina mich nach weiterem Kaffee fragte. Doch bevor ich etwas sagen konnte stand meine Mum, "Lass mich das nur machen." Dann nahm sie Ninas Tasse vom Tisch und verschwand in der Küche.

"Danke", lächle ich, als seine Mutter meine Tasse nimmt und verschwindet.
Kaum ist sie durch die Tür verschwunden, wende ich mich leise an Jair: "Oh je, mir gehen die Themen aus, was ich mit ihr reden soll. Hast du Ideen? Meint sie eigentlich Freunde von sich oder dir?" Ich beiße mir auf die Zunge, weil ich es eigentlich nicht fragen wollte. Schnell füge ich hinzu: "Wenn du nicht willst, brauchst du nicht zu antworten." Das ist eine sehr persönliche Frage und er soll sich nicht verpflichtet fühlen, mir Auskunft zu erteilen.

Ich musste lächeln. "Ist das bei fremden Müttern nicht immer so?" Ich hätte auch nicht gewusst, über was ich mich mit Ninas Mutter hätte unterhalten können. Schlagartig fällt mir das Lächeln aus dem Gesicht wie eine Maske. "Wie..", ich musste meine Gedanken kurz sammeln und wieder fassen. "Wie es bei ihr ist weiß ich nicht aber", dann unterbricht sie mich mit dem, dass ich nicht antworten musste aber ich wollte, das Geheimnis musste raus. Ich hatte Angst, dass es alles sonst einmal zerstören würde. "Doch, ich will, aber nicht hier unten", flüsterte ich und da kam meine Mutter schon mit dem Becher zurück. "So ich werde mich hinlegen, wenn du möchtest kanns du gerne auch bei uns übernachten Nituna, Jair hat ein Bettsofa", sagte sie lächelnd bevor sie verschwand. "Du hast sie gehört", meinte ich verwundert, so etwas hatte meine Mum noch nie getan. "Lass uns nach oben gehen"

Ich bin zu neugierig. Aber nun scheint er es mir doch erzählen zu wollen. Als habe seine Mutter es erraten, bittet sie uns indirekt, nach oben zu gehen.
"Danke", meine ich, als sie mir den Becher reicht. "Wenn es keine Umstände macht und Jair mich lässt." Um diese Uhrzeit, an diesem Tag will selbst ich nicht mehr unbedingt durch die dunkeln Gassen bei uns daheim gehen.
Ich folge Jair nach oben und starre in seinem Zimmer wie gebannt in meinen Kaffee um ihn nicht mit fragenden Blicken zu durchbohren.

Sie brennt daruf es zu erfahren ich weiß es ich spüre es auch wenn sie mich nicht ansehen will. "Ja klar, gerne" versuche ich normal zu erwidern als wir noch oben gehen. Immer noch nicht kann sie mich ansehen. Langsam gehe ich zum Schrank und öffne eine Tür. "Setz dich ruhig" Wie froh ich bin, dass es in wenigen Minuten alles draußen ist, überlege ich während ich zurück zum Bett gehe auf dem sie nun sitzt.

Er ist nervös. Ich nicke, bei seiner Aufforderung, auch wenn er mir den Rücken zuwendet. Dann setze ich mich auf den Klavierhocker. Behutsam fahre ich über den dunklen Deckel über den Tasten und frage mich kurz, warum wir nicht einfach wieder Musik spielen und singen können, während wir die ganzen ernsten Themen von denen es an diesen Tag mehr als genug gab vergessen.
Nervös kaue ich auf meiner Lippe herum und versuche alles Auszublenden, was mein Hirn für Möglichkeiten sich ausdachte. Selbst wenn es richtig liegen sollte, wollte ich es von ihm hören.

Ich merke Nina an, dass sie genauso nervös ist wie ich. Tief atmete ich durch und schlug das Fotoalbum auf. Dann blicke ich auf und sehe sie an, ich warte bis sie mich auch ansieht, vielleicht ist es so einfacher. Bevor ich anfange schlucke ich noch einmal. "Wie du weißt hat mein Cousin die Spiele vor sechs Jahren gewonnen", ich blätterte auf eine Seite auf der ich und Ray zusehen waren, einmal vor den Spielen zusammen am Klavier und dannach wie wir uns alles gefreut hatten. "Wir verstanden uns früher so gut aber seit den Spielen ist alles anderst. Aber darum geht es gerade garnicht, also nicht hauptsächlich." Schnell blätterte ich die nächsten 2 Seiten durch, aber doch nur so schnell, dass Nina einen Blick darauf werfen konnte. "Jedes Jahr wurde gefeiert, auch in dem JAhr vor 4 Jahren. ICh war der einzigste dem nicht zu feiern zu mute war", flüsterte ich fast. Auf der nächsten Seite waren ein braunhaariges Mädchen und ich abgebildet, lachend, umarmend sogar küssend. Zitternd strich ich über das ein Bild, auf dem das Mädchen alleine zu sehen war. "Das ist Sila", meine Stimme wurde brüchig. "Sie.." kurz kämpfte ich mit den Tränen, dann das Bild war wieder so präsent als wäre es die live-übertragung. "Ein Mutant hat sie umgebracht",stieß ich aus, damit es draußen war. Dannach blickte ich seitlich auf den Boden, denn jetzt wurde mir Ninas Blick doch zu schwer zu halten.

Was er mit dem Fotoalbum bezwecken will, kan ich mir am Anfang nicht denken, bis er zu dem Bild mit dem Mädchen blättert. Kurz überlege ich, ob er sie in D6 zurück lassen musste, aber eigentlich ist mir klar, was die Wahrheit ist. Ich glaube mich noch ganz schwach an ihre Spiele zu erinnern.
Oh. Sein Schmerz, der nach vier Jahren noch immer so tief ist, trifft mich wie ein Stich. Mir fällt nichts ein, was ich sagen soll. Keine von meinen Bekannten haben je jemanden an den Tod verloren, nicht mal die Großeltern oder so, geschweige denn von ihrer großen Liebe. Etwas unsicher stand ich auf und nahm ihn in die Arme um ihn zu trösten. Am liebsten würde ich ihm irgendetwas tröstendes sagen, aber mir fällt nichts ein, was nicht einfach nur verächtlich klang. Ein Wunder eigentlich, dass er nach so etwas überhaupt mit irgendjemanden aus dem Kapitol spricht, geschweige denn mit einem befreundet ist.
"Es tut mir so leid für dich", flüstere ich leise, nicht sicher ob das überhaupt hilft.

Sie steht auf und kommt herüber um mich zu umarmen, das tut gut und hilft auch wenn sie nicht viel dazu sagt. Ich kann mir vorstellen wie schwer es war die richtigen Worte zu finden. "Danke", flüsterte ich zurück. "Danke dass du mir zugehört hast und da bist. Ich wüsste nicht was ich sonst tun würde" Dann schenkte ich ihr ein ehrliches Lächeln und drückte sie noch einmal kräftig. Wie froh war ich nun, dass alles draußen war, Erleichterung machte sich in mir breit.

Er scheint erleichtert zu sein, es sich endlich von der Seele geredet zu haben. "Keine Ursache, ich bin immer für dich da", gebe ich aufmunternd zurück.
Und seine Familie feiert dennoch die Hungerspiele? Nicht gerade einfühlsam. Aber ich hüte mich davor, so etwas gerade jetzt anzusprechen, stattdessen lächle ich Jair zu und warte, dass er etwas sagt oder tut.

In ihrem Blick sehe ich trotz der Aufmunterung einen nicht ganz verständnissvollen Blick. Ob es nun an der Geschichte oder meiner Familie lag wusste ich nicht genau. "Morgen kommen mein Vater und meine Verwandtschaft zurück", meinte ich leise seufzend aber lächelts Nina daraufhin wieder an. "Was willst du jetzt am liebsten machen", fragte ich sie, da mir spontan nichts einfiel. Dann löste ich mich von ihr und stellte das Album in den Schrank zurück.

"Du meinst wohl heute", erwidere ich mit einem Blick auf die Uhr. Halb zwei Uhr morgens, kein Wunder dass der Kaffee nicht viel half.
Ich zucke mit den Schultern. "Wir könnten noch etwas Musik machen, wenn wir deine Mutter dadurch nicht wecken oder wir gehen pennen." Füge ich hinzu, als ich kurz gähne.

"Oh!", stieß ich aus, denn mir war nicht bewusst, dass es schon so spät war. "dann eben heute", grinste ich. Oke, sie wusste genau so viel, was wir tun könnten, wie ich. Die Idee mit der Musik, war gut nur ich wusste nicht wie laut ich spielen konnte. "Wir können und noch einbisschen an das Klavier setzen, nur ich müsste piano forte eben spielen. Aber sonst ist das normal kein Problem." Ich zog sie zum Klavier und dann auf den Klavierhocker nach unten. "was willst du hören?"

"Pianoforte?", frage ich, da ich im Moment nichts mit dem Begriff anfangen kann. Als er mich auf den Klavierhocker zieht, stelle ich die mittlerweile wieder leere Tasse unter mich auf den Boden.
Ich überlege einige Zeit, aber mir fällt nichts ein. "Such du dir was aus." Entgegne ich dann. "Vielleicht irgendetwas lustiges, um den gestrigen Tag etwas ausklingen zu lassen."

"ganz leise", flüsterte ich um es ihr zu demonstrieren. "in Ordnung vielleicht doch nicht soo leise", gab ich lachend zu. Also gut etwas lustiges aber trotzdem nächdenklich stimmend beschloss ich, denn das fand ich einfacher als etwas trauriges im moment. Kurzum fischte ich den Ordner vom Klavier und blätterte darin. "Ah wie wäre es hiermit? Vielleicht doch nicht ganz so lustig aber toll", ich hielt ihr ein Blatt hin >comptine d'un autre été< von yann tiersen. Dann wartete ich auf ihr urteil ab.

"Find ich gut", flüstere ich lächelnd zurück und lache auch kurz auf.
Als er den Klavierdeckel öffnet, lege ich den Kopf schief und warte darauf, dass er anfängt zu spielen. Als er es tut, lausche ich und lasse mich von den Tönen in eine andere Realität entführen.

"Ok!", freue ich mich, denn Nina gefällt wohl meine Auswahl. Langsam klappe ich den Deckel von den Tasten und lege die Noten auf die Ablage. Dann lege ich den ordner auf den Boden und die Finger auf die Tasten. Langsam und seicht fange ich an zu spielen und verliere mich in der Musik. Wir schweben von Note zu Note von Ton zu Ton, die Melodie gibt uns unseren Herzschlag vor. Frei, fast schon schwerelos treiben wir, sobald ich zum Ende komme fange ich einfach wieder von vorne an. Die Töne lassen mich vergessen und verträngen, zwischen Nina und mir gibt es keine Mauer mehr, jedenfalls keine unbekannte auf meiner Seite. Wie glücklich es mich doch macht

Immer wieder wiederholte Jair das Lied und langsam drifftete ich mit meinen Gedanken ab. Trotz des langen, seltsamen und anstrengenden Tages fühlte es sich plötzlich friedlich an. Als wären wir uns jetzt näher, nicht körperlich sondern geistig.
Als er kurz einen falschen Ton tifft, blicke ich überrascht auf und sehe ihn an. Er wirkt übermüdet und auch wenn ich es nicht will, muss ich daran denken, dass wir morgen in den Unterricht sollten. Wobei es vielleicht ratsam ist, einfach zu schwänzen, da keiner von uns wirklich viel mitreden könnte bei dem Hauptgesprächsthema, geschweige denn wach bleiben, wenn wir noch weiter so lange der Musik lauschen.

Der falsche Ton ließ uns zusammen zucken und erst jetzt merkte ich wie müde ich war, und nina sah auch nicht mehr gerade fit aus. Ein Blick auf sie Uhr verriet, dass ich schon ewig gespielt hatte und sollte ich in die Schule müsste ich in napp 4 Stunden wieder aufstehen, aber nun fiel mir ein, dass ich frei hatte, schließlich war man in der Oberschicht doch priveligiert und außerdem stand ja unser heißgeliebter Familienbesuch an. "Ich galub wir sollten schlafen gehen, sonst wirst du mir wohl morgen in der Schule einschlafen Kleine", dann musste ich herzhaft gähnen und dannach grinsen.

"Guter Plan", murmle ich. "Aber ich glaub ich gehe morgen nicht." So wie ich meine Klassenkollegen einschätze, wird die Hälfte betrunken oder zugekifft erscheinen und die andere gar nicht. Big-Fat-Ernte Party. Warum sie uns nicht gleich freigeben ist sowieso verwunderlich.
"Äh, dein Badezimmer ist?", frage ich und versuche mich zu erinnern, wo es sein könnte.

Gut dann musste ich meinen Tag schon nicht alleine mit meiner nervigen Verwandschaft verbringen, also wenn Nina dableiben wollte. "Ja da die linke Tür, warte." ich stand auf und öffnete eine weitere Tür und zog ein weites t-shirt und eine ebenso weiter Hose hervor. "Ich hoffe das passt, also falls dus anziehen willst du musst nicht." Ich hebe es ihr hin und warte einfach ab.

"Danke", meine ich und nehme die beiden Klamotten an mich. Dann gehe ich ins Badezimmer. Ich stelle mich unter die Dusche um den Tag abzuwaschen. Das warme Wasser tut gut und schläfert gleichzeitig ein.
Fünf Minuten später komme ich in dem Schlafgewand wieder zurück und setze mich auf das Schlafsofa, die nassen Haare in ein Handtuch eingewickelt.

Während Nina im Bad verschwindet beziehe ich kurz das Schlafsofa und suche Bettwässche dazu, welche ich ebenfalls überziehe. Es freute mich immernoch, dass Nina es verstanden hatte und nicht zurückgeschreckt war. Ich sah sie lächelnd an, als sie aus dem Bad in den viel zu großen und langen Klamotten herauskommt. "Sehr heiß", necke ich sie, als ich an ihr vorbei ins Bad verschwinde. Schnell springe ich unter die Dusche um mich fix fertig zu machen. Als ich wieder aus dem Bad komme sitzt Nina mit einem Handtuchturban auf dem Sofa und beobachtet mich. Sie sah wirklich aus wie ein kleines Mädchen, das Klamotten ihrer Eltern anhatte um sich erwachsen zu fühlen.

Kindisch strecke ich ihm bei seiner Bemerkung die Zunge heraus, da er aber bereits im Badezimmer verschwindet, sieht er es vermutlich nicht.
Als er zurück kommt, sieht Jair mich amysiert an. Vermutlich sehe ich lächerlich aus mit den zu großen Klamotten, aber es stört mich nicht. Ich schlafe gerne in übergroßen, schlapper T-Shirt und Hose.
"Gute Nacht", meine ich und lasse mich nach hinten ganz auf das Sofa fallen.